: Heiße Luft um 'Tagesschau'-Verlegung
NDR-Belegschaft reagiert gelassen auf Diskussion um Abschaffung des „ARD aktuell„-Monopols / Nach Warnstreik zarte Kontakte zwischen Gewerkschaften und NDR geplant / Verlegung der 'Tagesschau‘ wäre teuer ■ Aus Hamburg Axel Kintzinger
„Man kennt das ja: Bei Streiks verkünden Arbeitgeber den Weltuntergang.“ Volker Bräutigam, 47, laut 'Bild‘ „der Mann, der die Tagesschau lahmlegte“, gibt sich gelassen. Die vor allem von christdemokratischer Seite neu entfachte Diskussion um die Abschaffung des Hamburger Monopols auf „ARD aktuell“ beunruhigt den Vorsitzenden der norddeutschen Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) nicht weiter. Er weiß: Gewaltige Sachzwänge sprechen dagegen.
So wurden erst im vergangenen Jahr rund 20 Millionen Mark in die Verbesserung der Sendetechnik investiert. Jeder andere Sender müßte „Investitionen erheblichen Ausmaßes“ aufbringen, um, so Bräutigam, den gewohnten 'Tagesschau' -Standard zu erreichen. Auch „ARD aktuell„-Chef Henning Röhl hält nicht viel vom den derzeitigen Forderungen seiner CDU -Parteifreunde nach einer Verlegung oder auch Aufteilung der Verantwortlichkeit für 'Tagesschau‘ und 'Tagesthemen‘ auf alle ARD-Sender. Gegenüber der taz sprach Röhl von „unermeßlichen Kosten“, die dadurch entstünden. Von der Ersatz-'Tagesschau‘ aus München scheint Röhl entgegen ersten veröffentlichten Aussagen doch nicht sonderlich begeistert: „Die jetzige 'Tagesschau‘ ist so gut, das soll uns erst mal einer nachmachen“, kommentierte er die Aussagen von Unionspolitikern aus der gesamten Republik. Bräutigam schätzt deren Wert etwas drastischer ein: „Ausgerechnet im Sommerloch riskieren die medienpolitisch Inkompetentesten eine große Schnauze!“
Die innerbetriebliche Reaktion auf die spektakulären Auswirkungen des Warnstreiks am Montag abend scheinen unterschiedlich zu sein. Während RFFU-Chef Bräutigam von zahlreichen Solidarisierungen auch aus den Redaktionen berichtet - „von dort kam kein Beschwerde-Anruf“ - weiß ein 'Tagesschau'-Redakteur auch von einzelnen Gewerkschaftsaustritten. Die öffentliche Diskussion um eine Verlegung von 'Tagesschau‘ und 'Tagesthemen‘ werde in den NDR-Studios zwar nicht sonderlich ernst genommen, „aber die Kollegen, die noch ihr Häuschen abbezahlen müssen“, seien doch beunruhigt. Die Mehrheit beurteile die Aktion als „großen Schaden für den Laden“.
Währenddessen bahnen sich zaghafte Kontakte im Rahmen der Tarifauseinandersetzung zwischen NDR und der Gewerkschaft RFFU an.
Beide Seiten wollen erst einmal die Lage analysieren und dann die Möglichkeiten testen, sich aus der festgefahrenen Situation zu befreien. Zum Knackpunkt der vorerst gescheiterten Verhandlungen wurde neben den unterschiedlichen Vorstellungen über eine Lohnerhöhung vor allem die Frage, ob und wieviele zusätzliche Stellen im Rahmen der angestrebten Arbeitszeitverkürzung eingerichtet werden können. Der Norddeutsche Rundfunk hatte bislang - mit Hinweis auf die finanziell schwierige Situation des Senders
-keine neuen Stellen bewilligen wollen. In Hamburg-Lokstedt werden nach den ersten beiden Warnstreiks jedoch Zugeständnisse erwartet.
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