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DER FEINSTRICHJUNGE

■ Gerhard Haderer in der Galerie am Chamissoplatz: „Sehr verehrte Österreicher“

Österreich: Schade, daß man dieses kotlettförmige Land nicht einfach in die nächste Pfanne werfen, braten und aufessen kann. Dort zu leben muß eine Strafe sein. Oder aber eine schwere Prüfung, aus der gestärkt hervorgeht, wer sie annimmt und durchlebt. Selbst mindere Liedersänger wie G.Danzer (Neinnein, ich bin nicht verrückt, das eine sag‘ ich euch gleich: Ich bin ein Durchschnittstrottel aus Österreich.) und Wiener Schmäh- und Blähboys wie der Schmandbeutel A.Heller haben es zeitweise in der bitteren Klage über die notorische Dumpfheit des Österreichischen zu einer gewissen Schärfe oder Komik gebracht, obwohl sie selbst auch eher von hinterm Berge stammen, mental gesehen; fähigere Kräfte aber, wie der tote Helmut Qualtinger, haben da ganz anders gepoltert, gepöbelt und dem gehaßliebten Land mit gleicher Münze frei nach Achternbusch zurückgezahlt: Diese Gegend hat mich fertiggemacht, und ich bleibe so lange, bis man ihr das anmerkt.

Auffällig ist die Qualität der scharfen Beobachter, die mit dezidiertem Pinselstrich spiegelnd Rache nehmen: Gottfried Helnwein, dessen erste fotografisch genauen Bilder einem kalt über die Seele krochen, bis er sich bis zur Beliebigkeit zu wiederholen begann, und Manfred Deix, der Rabaukenzeichner, der seine grobschlächtigen, ihre Gliedmaßen ineinander zwängenden und verkeilenden Mitösterreicher mit Schmierfrisur, Tonnenhüften, Hitlerismus und Bremsstreifen in den Unterhosen realistisch überzeichnete.

Von beiden, Helnwein und Deix, hat Gerhard Haderer, österreichischer Graphiker, Dekorateur, Zeichner, Illustrator und Karikaturist, gelernt. Seine Bilder, die in der Galerie am Chamissoplatz zu sehen sind, zeigen fotorealistische Porträts und durch Übertreibung treffende Karikaturen. Helnweins Freigeist, der Aktendeckel -Hornbrillen-Flachzangenmund-Beamte, hat einigen seiner Figuren als Vorbild gedient und taucht immer wieder mal auf; auch eine Helnwein-Parodie findet sich, in der Haderer das New-Age-Abdriften seines ehemaligen Vorbilds gekonnt verhöhnt.

Haderers Bilder stecken voller liebevoll ausgeführter Kleinigkeiten, die Augen gehen auf dem Papier spazieren und haben viel zu gucken. Seine Farben sind stets richtig gewählt, sein Kabarettist zum Beispiel springt knallig -bunt aus dem Bild, während er ein selbstzufriedenes Bio -Mio-Pärchen in genau den dezenten Pastelltönen auf der Gesundheitsmatte hocken läßt, die diese Sorte Mensch als den Himmel auf Erden empfindet: gedämpftes Licht und dazu passend ein leises, seliges Lächeln. Hirse heißt das.

Wunderbar Haderers Gesichter. Glommsen, Visagen, Wabbelwangen, Schinkenspeckgesichter, Zähneblecker, halslose Keltenköpfe, bierig aufgequollene Schädel, Hängekinne, Kneifmünder, böse, schadenfrohe Augen. Dazu die birnenförmigen Plumpsackkörper. Was Dashiell Hammett mit der Sprache gelang, schafft Gerhard Haderer mit Papier und Pinsel: durch die überwirkliche Darstellung des Äußeren eine präzise Beschreibung des Inneren, eines geistigen und seelischen Zustands zu geben.

Kurt Waldheim neben der österreichischen Flagge: die Hände säuberlich gefältelt, die Brauen gehißt, der Mund überlegen gewinkelt, zwischen den flugtauglichen Ohren die glänzenden Knopfaugen, im Hintergrund das Amtszimmer, vor sich irgendein Papier, selbstverständlich ein wichtiges. Genauso sieht der aus, und Haderers Bild friert ihn ein für immer. Portrait der Familie Alexander: Töchterlein auf Koks, Mutter alkdurchglommen, Vater gut angeschwabbelt, fix und alle die ganze Bagage, aber das Lächeln macht auf dufte und gesellig.

Und immer wieder die Details: das Playboy-Bunny auf den Schlappen des verlassenen Möchtegern-Tollen-Hechts, der rosa Notenschlüssel auf dem Hosenlatz des Musikanten, der im Kärntner Ausflugslokal auf Touristen wartet, das kleine grüne Krokodil im Ohr des Zeitgeistlers, die durchgestrichenen Frauennamen auf der Planliste des in der kahlen Wohnung auf den Lottogewinn Spekulierenden. Haderer kennt sein Personal genau und gibt ihm, was es verdient: Er schickt es auf den feinen Strich.

wiglaf droste

Gerhard Haderers Bilder sind in der Galerie am Chamissoplatz dienstags bis sonntags von 14 bis 19 Uhr noch bis zum 31.8. zu sehen. Der Bildband „Sehr verehrte Österreicher“, der neben aufwendig und großzügig hergestellten Reproduktionen Texte des österreichischen Kabarettisten Josef Hader enthält, ist im Orac-Verlag erschienen und kostet 72 Mark. In der Ausstellung sind zahlreiche im Katalog nicht enthaltene Abbildungen zu sehen.

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