: Senat nicht verunglimpfbar
■ Senat lehnt beantragte Ermächtigung im Verfahren gegen den Ex-AL-Abgeordneten Kunzelmann und die taz wegen Verunglimpfung ab / Senat als „kriminelle Vereinigung“ bezeichnet
„Die Sache ist für den Senat erledigt, es gibt keinen Anlaß, diese Dinge aufzurühren“, betonte gestern auf taz-Nachfrage Senatssprecher Haetzel. „Die Sache“ war ein Interview, das zwei taz-Redakteure und eine ehemalige taz-Redakteurin mit dem früheren AL-Abgeordneten Dieter Kunzelmann zum Thema Korruption im Baubereich geführt bzw. presserechtlich verantwortet hatten. In diesem Zusammenhang hatte Kunzelmann den Senat als „kriminelle Vereinigung“ und Senatsmitglieder als „Kriminelle“ bezeichnet.
Nachdem sowohl das Amtsgericht Tiergarten als auch in zweiter Instanz das Landgericht die vier Angeklagten vom Vorwurf freigesprochen hatten, den Senat, den Staat und seine Symbole verunglimpft zu haben (§90a StGB), mußte sich im laufenden Revisionsverfahren nun auch offiziell der Senat mit „dieser Sache“ beschäftigen. Er lehnte die von der politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft beantragte „Verfolgungsermächtigung“ ab, gegen die vier Beschuldigten nun nach dem §90b, also nach dem Straftatbestand, der „verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Verfassungsorganen“ vorzugehen.
Bereits zu Beginn des Verfahrens hatten die Verteidiger begründet vermutet, daß die Staatsanwaltschaft versucht hatte, das Placet des senats für die Verhandlung nach §90b zu erhalten. Diese habe sie aber aus politischen gründen nicht bekommen, weil der Senat die Korruptionsaffäre nicht wieder in die Öffentlichkeit bringen wollte. Die Anklagevertretung hatte dies stets dementiert.
Von der jetzigen Ablehnung der Ermächtigung hat die zuständige Justizverwaltung erst aus der Presse erfahren. „Bei uns“, so Justizsprecher Kähne, „ist bisher noch keine Erklärung des Senates eingegangen.“ Sollten allerdings die Presseberichte zutreffen, werde es auch kein Revisionsverfahren gegen die vier Angeklagten mehr geben.
Nach Berichten des 'Tagesspiegels‘ hatte es Auseinandersetzungen im Senat um die Ermächtigung gegeben, nachdem die Senatskanzlei das Ersuchen der Staatsanwaltschaft bereits per Umlauf an die Senatoren mit der Bitte um Unterschrift verteilt hatte. Bürgermeisterin Laurien hatte den Umlauf in Vertretung des Regierenden unterschrieben. Jugendsenatorin Schmalz-Jacobsen hatte sich jedoch mit dem Argument gegen die Law- und Ordervorstellungen ihrer Kollegen durchgesetzt, daß es politisch unklug sei, sich ausgerechnet vor der Wahl von den Anwürfen des Aktionspolitologen Dieter Kunzelmann beleidigt zu fühlen. Als Schuldige wurde die Senatskanzlei ausgemacht. Über solch „interne Vorgänge“ wollte Sprecher Haetzel natürlich keine Auskunft geben.
taz
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