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Fortschritt oder Rücktritt

Volleyball-Präsident Mader und der Sprung zum Profitum  ■  PRESS-SCHLAG

Roland Mader, Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes, ist der kommende Mann im bundesdeutschen Sport. Bereits jetzt mit Ämtern überhäuft, ist der ehrgeizige Multifunktionär aus München einer der energischsten Betreiber fortschreitender Professionalisierung. Dies vor allem in seiner ureigensten Domäne, dem Volleyball, für dessen güldene Zukunft er sogar sein Amt in die Waagschale wirft: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir in der Weltspitze mitmischen wollen, oder ob alles bleiben soll wie bisher, und wir, wie im Moment bei den Frauen, weiter um Platz 10 spielen wollen.“ Letzteres hält er zwar für einen durchaus „vertretbaren Standpunkt“, ist aber selbst nicht bereit, als Mann der Stagnation zur Verfügung zu stehen: „Dann bitte ohne mich.“

Als Modell schwebt Mader ein System vor, wie es beispielsweise die Volleyballerinnen aus den USA repräsentieren. Diese spielen nicht in Clubs, sondern sind entweder in einem Trainingszentrum bei San Diego zusammen oder reisen durch die Welt, um immer wieder gegen ihre schärfsten Konkurrentinnen anzutreten. „Wenn wir pro Jahr dreimal gegen China gespielt haben“, grämt sich Bundestrainer Andrzej Niemczyk, „haben die bereits 30 Matches gegen die Chinesinnen hinter sich.“

Während es die Spielerinnen hierzulande auf etwa 700 Übungsstunden bringen, trainieren die US-Frauen 2.000 Stunden jährlich, umhegt von einem beachtlichen Stab an Betreuern, Ärzten und sogar drei Psychologen, die ihnen mentale Stärke einhauchen sollen.

Von solchen Zuständen kann Roland Mader nur träumen, was ihn aber nicht hindert, sie zügig anzustreben. Finanziert werden soll das Ganze mit Hilfe von Sponsoren. „Wird die Leistung besser“, so Maders Überzeugung, „kommt auch mehr Geld rein.“ Dann könnte dem Volleyball sogar der Durchbruch zur Fernsehsportart gelingen, für die es beste Voraussetzungen mitbringt. Volleyball ist spektakulär, attraktiv, spannend und Freizeitvergnügen, zumindest gelegentlich, für rund 6 Millionen Bundesbürger. Eine imposante Zahl, die allerdings mit den 30 Millionen, die in den USA regelmäßig zweimal pro Woche ans Netz treten, nicht konkurrieren kann.

Die bundesdeutschen Nationalspielerinnen, die schon für den Kampf um „Platz 10“ gehörig Zeit und Energie investieren müssen, ohne bisher übermäßig viel Anerkennung finanzieller oder moralischer Art zu erhalten, scheinen den Plänen ihres Präsidenten nicht abgeneigt zu sein. „Wenn das Umfeld stimmt“, sagt die 28jährige Rekordnationalspielerin Renate Riek, „warum nicht?“ Gemeint ist eine finanzielle und berufliche Absicherung, die nicht nur die Mühen von 2.000 Trainingsstunden, sondern auch die Strapazen der Reisen in exotische Länder verschmerzen läßt, wo die Spielerinnen, so Bundestrainer Niemczyk, kaum etwas sehen, nur „Halle, Hotel, Zoologischer Garten“.

Matti

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