piwik no script img

Deutsche Neo-Nazis auf der Rütliwiese

Wiking-Jugend campierte drei Wochen am geheiligten Ort der Schweizer / Behörden wußten von nichts /Lager jetzt am Bodensee  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Schwarze Fahnen, Hakenkreuze, Naziuniformen, Odalrunen - und das alles am der Schweizer Nation heiligsten Ort, am Rütli. Seit 6.Juli campierten in Seelisberg oberhalb der Rütliwiese Mitglieder der neonazistischen „Wiking-Jugend“ - die meisten aus der Bundesrepublik sowie einige SchweizerInnen.

Platzvermieter Albert Truttmann, genannt „Wäsmeli-Bauer“, fühlt sich verschaukelt. Gegenüber der Zeitung 'Blick‘ erklärte er: „Als die Typen im letzten Herbst den Platz für 300 Franken von uns mieteten, erklärten sie, sie seien Pfadfinder. Und jetzt muß ich erfahren, daß das eine neue Hitler-Bande ist. Ich staunte schon, als statt Schweizern fast nur Deutsche kamen, eine seltsame Fahne aufstellten und immer wieder trompeteten und trommelten. Wie im Militär.“ Doch weder militärisches Zeremoniell und Nazisymbole noch Schilder „Betreten des Lagergeländes für Unbefugte verboten“ und bewaffnete Wachen brachten Anwohner dazu, nachzufragen oder sich an die Behörden zu wenden. TeilnehmerInnen eines direkt benachbarten Pfadfindercamps hörten zwar deutlich das „Deutschland, Deutschland über alles“ während des allmorgendlichen Fahnenappells im „Wikinger-Lager“. Doch sie unternahmen nichts.

An die Öffentlichkeit kam der braune Spuk erst durch Recherchen der Zürcher 'Wochenzeitung‘ (WoZ). 'WoZ' -Redakteur Franz Moor und sein Fotograf wurden bei dem Versuch, das Lager zu betreten, von den Wikingern niedergeschlagen. Auf die Klage der 'WoZ'-Journalisten hin besuchte schließlich die Polizei das Nazi-Camp. Jetzt ging auf einmal alles sehr schnell. Gestern mußten die „Wikinger“ die Schweiz verlassen, obwohl der Lagerplatz am Rütli bis kommenden Samstag gemietet war. „Wir wollen keine Probleme während unseres Nationalfeiertages am 1.August“, begründete Seelisbergs Bürgermeister Hans Aschwanden die plötzliche Behördenaktivität.

„Wir haben ihre Namen und denken ernsthaft daran, bestimmten Bürgern der Bundesrepublik künftig die Einreise in die Schweiz zu verbieten“, erklärte der Berner Regierungssprecher Roland Hauenstein.

Der eidgenössische Ableger steht den bundesdeutschen Neonazis in nichts nach, wie ein Blick in den 'Nordwind‘, das Organ des Schweizer „Wiking-Jugend„-Verbandes, deutlich macht. „Schweizer, wir kommen“, heißt es da. „Es ist an der Zeit, die Dekadenz anzugreifen“. Während die Anwohner des Rütli heute ungestört wie alle SchweizerInnen mit Fahnen, Feuer und Folklore ihren Nationalfeiertag begehen können, sind die „Wikinger“ in Reih und Glied abmarschiert. Nicht weit weg und gerade über die Grenze: in ein Lager der NPD in Konstanz am Bodensee.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen