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Aufmarsch der Casino-Clique

■ Der Spielbank-Untersuchungsausschuß in Hannover vor dem Höhepunkt / Von Jürgen Voges

An vier Tagen hintereinander achtzehn Zeugen - mit diesem wochenfüllenden Programm meldet sich ab heute der Spielbank -Untersuchungsausschuß in Hannover aus den Ferien zurück. Dabei geht der vom Landtag eingesetzte Ausschuß zunächst nicht mehr der Pleite der Spielbank Hannover/Bad Pyrmont nach. Das achtköpfige Parlamentariergremium ist inzwischen bei einem Punkt seines Untersuchungsauftrages angelangt, der auf Drängen der CDU im nachhinein aufgenommen worden war und der sich für sie dann als Bumerang erwies: die Umstände der Konzessionsvergabe und -verlängerung für die niedersächsischen Spielbanken in der ersten Hälfte der siebziger Jahre.

„Das möchten Sie wohl gerne“, polterte der niedersächsische CDU-Vorsitzende Wilfried Hasselmann am vergangenen Freitag los, als er gefragt wurde, ob ein Rückzug von Ernst Albrecht aus der Politk auch einen Wechsel im CDU-Landesvorsitz nach sich ziehen würde. Angesichts der hannoverschen Affären hat Ministerpräsident Ernst Albrecht jedenfalls seine Kür zum Kandidaten für die Landtagswahl 1990 ersteinmal verschoben. Im Oktober wollte der hannoversche CDU-Bezirks-Vorsitzende Gansäuer die sieben Landtagskandidaten im Kreis Hannover -Land aufstellen, zu denen seit 1972 auch stets Albrecht gehörte. Gansäuer, gleichzeitig Vorsitzender des CDU -Kreisverbandes, hatte deswegen eine definitive Aukunft über Albrechts weitere Pläne verlangt. Doch die Antwort, die der Ministerpräsident am vergangenen Donnerstag gab, blieb sybillinisch. Albrecht sicherte zwar eine erneute Kandidatur für den Landtag zu, bat aber gleichzeitig, den Nominierungs -Parteitag des Kreises auf Ende Februar 1989 zu verschieben. Zu der Frage, ob er auch wieder als CDU-Spitzenkandidat antreten wolle, schwieg der skandalgebeutelte Regierungschef.

Ernst Albrecht will vor einer Entscheidung über seine Zukunftspläne offentsichtlich ersteinmal die weitere Entwicklung im Spielbank-Untersuchungsauschuß abwarten. Dort sind zur Zeit noch 49 Zeugen von der SPD und ganze zwei von der CDU geladen. Am 17.August steht der große Auftritt des Kronzeugen Laszlo Maria von Rath bevor, und zwei Tage danach muß Ernst Albrecht selbst in den Ring.

Für den CDU-Landesvorsitzenden Wilfried Hasselmann und seinen Staatsekretär Haaßengier, die Hauptfiguren der Affäre auf Seiten der CDU, kann allerdings schon diese Woche entscheidend werden. Hasselmann hat seinen Spielbankaufseher Gerhard Roemheld, der nach Zeugenaussagen von dem hannoverschen Casino-Pleitier Felsenstein immer wieder Geschenke entgegenahm, bis heute auf einem Ministerialratsposten belassen. Hasselmann soll auch - nach Aussage von Raths - dem FDP-Ministerialdirigenten Reinhard Brennecke die Beförderung zum Regierungspräsidenten versprochen haben, als Gegenleistung für die Vermittlung eines abtrünnigen FDP-Abgeordneten vor der Albrecht-Wahl 1976. Schließlich waren es Hasselmann und Haaßengier, die 1970 die Beteiligung der CDU an der Spielbankgruppe Kalweit abgesegnet haben, um bei Verabschiedung des Spielbankgesetzes als Partei kassieren zu können.

Am Montag und Dienstag sind fünf Zeugen zu diesem Komplex vor den Ausschuß geladen. Als wichtigster Zeuge wird hier für Mittwoch der Karlsruher Rechtsanwalt Paul Meixner erwartet. Meixner hat nicht nur Anfang der siebziger Jahre die Kalweit-Gruppe als Anwalt vertreten, er war auch selbst an dieser Bewerbergruppe beteiligt und hat vor allen Dingen nach Aussage von Rudolf Kalweit die eigentlichen Verhandlungen mit zahlreichen Politikern, auch mit dem damaligen CDU-Generalsekretär Haaßengier, geführt. Meixner ist somit neben von Rath und Rudolf der einzige direkte Zeuge für die CDU-Spielbank-Beteiligung.

Laslo Maria von Rath hat inzwischen für den 'Spiegel‘ seine alten Umzugskisten durchwühlt und ist dabei auf die Kopie eines Schreibens an Hasselmann gestoßen, das den CDU -Vorsitzenden bezüglich der Vermittlerdienste des FDP-Mannes Brennecke bei der Albrecht-Wahl weiter belastet. Rath berichtet in dem Brief von einem Gespräch mit Brennecke, in dem er mitgeteilt habe, daß Hasselmann seine Zusage aufrechterhalte, treue Dienste „mit einem Staatssekretärsposten oder einer adäquaten Stelle zu belohnen“.

In Sachen Ministerialrat Gerhard Roemheld wird inzwischen die niedersächsiche FDP immer unruhiger. Vergangene Woche hat auch der FDP-Fraktionsvorsitzende im Landtag Martin Hildebrand personelle Konsequenzen an der Spitze von Roemhelds Polizeiabteilung gefordert. Hasselmann erklärte dazu am Freitag noch einmal, daß eine Suspendierung Roemhelds vom Ausgang der staatsanwaltlichen Ermittlungen abhänge.

Auch die CDU-Fraktion im Landtag kann sich nicht von ihren schwarzen Schafen trennen. Gegen den Abgeordneten Kurt -Dieter Grill ermittelt die Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen Vorteilsnahme, der Abgeordnete Kurt Vajen ist in zweiter Instanz wegen Wahlfälschung verurteilt und kann nur wegen Albrechts Ein-Stimmen-Mehrheit von seiner Partei nicht zum Rücktritt gezwungen werden. Nach einer von der SPD in Auftrag gegebenen Umfrage ist die CDU allerdings in der Wählergunst schon jetzt auf 36 Prozent gesunken. Und wenn Albrecht und Hasselmann tatsächlich den Spielbankskandal aussitzen wollen, dann steht immer noch der Abschlußbericht des Unterrsuchungsausschusses zum Celler Anschlag ins Haus.

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