piwik no script img

Tod eines Anarchisten

Methode bei Todesschüssen im Kölner Zoo? / Grizzly „Karl-Josef“ posthum Ehrenmitglied in linkem Kick-Team  ■  PRESS-SCHLAG

Im Kölner Zoo ist am Freitag der Grizzly „Karl-Josef“ heimtückisch erschossen worden. Der Achtzentner-Teddy hatte pfiffig einen Baumstamm als Floß genutzt, um die Gehegemauern zu erreichen. Tiefe Trauer bei Tierfreunden, in Karnevalsgesellschaften, und vor allem: in der rheinischen Szenefußball-Szene. Wie das? Karl-Josef ist nicht das erste Opfer dieser Art. „Petermann Stadtgarten Köln“ ist ein linkes Fußballerteam, dem der stadtbekannte Schimpanse Petermann den Namen gab.

Erst kürzlich hatte Petermann-Stürmer Rainer Osnowski dem 'Spiegel‘ erläutert, daß der Affe „einer der wenigen wahren Anarchisten“ Kölns war, weil Petermann, als er 1985 ausbrach, „auf dem Weg in die Freiheit“ den Gefängniswart Nogge (Direktor) krankenhausreif gebissen und die „linke Faust gereckt“ habe, als er „von hinten erschossen wurde“.

Verblüffende Parallelen jetzt beim Bären. War der anarchistische Affe in seinem bürgerlichen Tarnleben durch viele Karnevalsauftritte zu Ruhm gekommen, stand Grizzly Karl-Josef in enger Verbindung zum Karnevalsklüngel - sein Namensgeber war der Ex-Jeckenprinz Karl-Josef Kappes (1985 !!). „Unruhe“ habe er gezeigt, schrieb die Lokalpresse, sei „außer Kontrolle“ geraten - da flüchtete Zoochef Nogge aus schmerzvoller Erfahrung und ein „Spezialeinsatzkommando“ (SEK) richtete den Bären mit Maschinenpistolen hin. Trauriger Narrenvater Kappes: „Ich war stolz auf ihn.“ Stolz auch Osnowski: „Erneut ein zutiefst sympathischer Fluchtversuch.“

Osnowski zweifelt nicht an einer revolutionären Verschwörung der Kölner Tiere, die „viel eleganter und energischer als anderswo“ aufbegehrten: So hatte nach Petermanns Tod ein Löwe einen Mann zerfleischt und eine Elefantenkuh einen Wärter niedergestreckt. Obwohl es „wieder vergeblich“ war, so Osnowski, „begrüßen wir den Ausbruch nachträglich aufs Schärfste“. Bär Karl-Josef soll deshalb in der Kickerelf „posthum zum Ehrenmitglied werden“.

Vor einer Woche hatten die Petermann-Fußballer in einer SAT1-Livediskussion behauptet, der Affe habe damals Nogge den Mittelfinger abgebissen, weil dieser „damit vorher wahrscheinlich eine obszöne Geste gemacht hat“. Der neunfingrige Nogge schweigt sich bis heute aus.

Petermann Stadtgarten, im Juni zur Ehre des Affen Deutscher Alternativ-Fußballmeister geworden, will bis zum Abschiedsspiel für Karl-Josef noch herausbekommen, ob hinter dem neuen Todesfall wieder „finanzielle Machenschaften“ stecken (von Petermanns Karnevalshonoraren sollen die Zellen im Affenhaus renoviert worden sein!).

Petermann sei, stand am Samstag im 'Kölner Stadtanzeiger‘ bewußt geschichtsklitternd zu lesen, damals 38jährig „zum launischen Einzelgänger geworden“. Jetzt, mit dem toten Karl -Josef, kann niemand mehr die wahren Zusammenhänge verdrängen.

Bernd Müllender

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen