: Ein Gesetz zum Wohl des Vaters
■ Väter nichtehelicher Kinder sollen auch ohne Einwilligung der Mutter ein Besuchs- und Umgangsrecht mit den Kindern erhalten / Kinderschutzbund, Verband der alleinstehenden Mütter und Väter sowie Familiengerichtstag kritisieren das von Minister Engelhard geplante Gesetz als halbherzig und frauenfeindlich
Hamburg (dpa) - Die Konflikte sind vorprogrammiert: Väter von nichtehelich geborenen Kindern sollen künftig auch gegen den Willen der Mütter ein Besuchs- und Umgangsrecht bei ihren Sprößlingen erhalten. Viele Kinder unverheirateter Eltern werden wie die Kinder geschiedener Ehepaare in die Mühlsteine einer gescheiterten Beziehung geraten. Die Rechte der nicht verheirateten Mütter werden beschnitten, die Pflichten der Väter nicht erweitert. Die Hauptbetroffenen, die Kinder, bleiben rechtlos.
Das wären die Folgen, wenn ein von Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) noch für diese Legislaturperiode geplantes Gesetz in Kraft tritt. Danach sollen Vormundschaftsgerichte künftig in Streitfällen darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang Väter zu ihrem nichtehelichen Kind Kontakt unterhalten können. Das Gesetz soll offiziell dem „Wohl des Kindes“ dienen.
Einigkeit herrscht auch unter den Kritikern des neuen Gesetzes darin, daß es für die Entwicklung eines Kindes wichtig ist, zu Vater und Mutter eine Beziehung zu haben. Aus diesem Grund befürwotet der Vorsitzende des Kinderschutzbundes, Walter Bärsch, die geplante Regelung. Doch er befürchtet auch, daß die betroffenen Kinder ähnlich wie bei Scheidungen - in „teilweise unmenschlicher Weise als Kampfmittel gegen den Partner eingesetzt“ werden.
Auch gegenwärtig sind die Väter unehelicher Kinder nicht ohne Rechte. Zwar entscheidet die Mutter allein darüber, mit wem das Kind Umgang hat. So kann sie den Kontakt zum Vater untersagen. Möchte dieser jedoch auch mit dem Kind zusammensein, so kann er das Vormundschaftsgericht einschalten. Er muß dabei nachweisen, daß sein Umgang mit dem Sprößling ausdrücklich dem Wohl des Kindes dient. Künftig soll nun das Umgangsrecht des Vaters an keine Bedingungen mehr geknüpft werden. Vielmehr muß die Mutter den Nachweis erbringen, daß der Umgang mit seinem Vater dem Kind schadet. Die Beweislast wird also umgekehrt.
Als „Chance für eine langsame Bewußtseinsveränderung“ wertet der Vorsitzende des Familiengerichtstages, Siegfried Willutzki, die neue Regelung. Sie könne die Richter veranlassen, mehr als bisher mit den Eltern über die Bedeutung der Vater-Kind-Beziehung zu reden. Aber Willutzki kritisiert den Minister auch energisch und wirft ihm Halbherzigkeit vor. Das erweiterte Umgangsrecht des Vaters hätte mit der Pflicht einhergehen müssen, auch der ledigen Mutter wegen der Betreuung des Kindes Unterhalt zu zahlen. Bislang erhält eine ledige Mutter höchstens bis acht Wochen nach der Geburt Unterhalt, eine geschiedene Mutter dagegen bis zu acht Jahren.
Die stellvertretende Vorsitzende des Verbandes alleinstehender Mütter und Väter, Gunhild Gutschmidt, bezweifelt, ob es dem Wohl des Kindes dient, wenn der Kontakt zum Vater gegen den Willen Mutter durchgesetzt wird. Sie berichtet, Mütter hätten „oft gute Gründe“, den Umgang zu untersagen, so zum Beispiel, wenn Väter die Kinder von Kneipe zu Kneipe schleppten. Frau Gutschmidt kritisiert vor allem, daß dem Hauptbetroffenen, dem Kind selbst, kein Umgangsrecht eingeräumt wird. Denn viele Mütter und Kinder versuchten vergeblich, den Kontakt zum Vater herzustellen.
Für schlichtweg überflüssig hält auch Heide Ott, bis vor kurzem Vorsitzende des Verbandes alleinstehender Frauen, die geplante Regelung. Sie bedeute zudem eine „enorme Verschlechterung für die Frauen“. Die Mehrzahl der nichtehelichen Mütter seien nach wie vor in einer wirtschaftlich und bildungsmäßig schlechteren Lage als die Männer. Infolge der umgekehrten Beweislast hätten sie es dshalb vor Gericht weitaus schwerer.
Offenbar haben auch einige Väter bereits ein für sie günstiges Tauschgeschäft im Auge: Frau Ott schildert, daß bereits jetzt Väter der Mutter nahelegten, auf die Alimente für das Kind zu verzichten. Dann würden sie das neue Umgangsrecht nicht wahrnehmen.
Ursula Mommsen-Henneberger
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