: Kultur bald auch in Bremen Nord
■ Das Cinema und das Modernes haben letzte Woche einen Mietvertag mit der alten Skala in Vegesack unterzeichnet: Ein neues Kulturzentrum für den kulturell unterentwickelten Bremer Norden
Selbst nach der spektakulären Schlafen-auf-dem-Marktplatz -Aktion in der Nacht vom 5. auf den 6.Mai, wo Bremen Nordler in Schlafsäcken demonstrierten, was passieren kann, wenn man nach dem letzten Film im Bremer Viertele den letzten Zug verpaßt (siehe taz vom 13.5.), hat sich an der kulturmäßig desolaten Situation in Bremen Nord nichts geändert. Weder Innenminister Bernd Meyer noch der für kulturelle Angelegenheiten zuständige Kultursenat, haben weder Geld noch Einsehen: Kein Kino, kein Theater, zwar ein Bürgerhaus, in dem auch schon mal die Shakespeare-Company auftritt, aber (bis jetzt) noch ein unabhängiges kommerzielles Unternehmen wie beispielsweise das „Modernes“. Nun aber tut sich was in Bremen-Nord. Es ist zwar immer noch nicht abzusehen, daß sich in Zu
kunft die Schatullen des Bremer Kultursenats öffnen werden, aber glaubt man den Geschäftsführern des Modernes und des Cinema-Ostertors, dann wird in Bremen-Vegesack demnächst (voraussichtlich November/Dezember) ein Kulturzentrum entstehen, das sich wohl mit dem Modernes vergleichen lassen kann. Letzte Woche wurde nach langen Verhandlungen mit dem Besitzer des alten, seit vier Jahren brach liegenden Kinos „Skala-Lichtspiele“ ein Mietvertrag unterschrieben, die Unterzeichner heißen Gerd und Thomas Settje (Cinema), Heiner Hellmann und Edu Woltersdorff (Modernes). Auf der Pressekonferenz im schönen Vegesacker Strandlust-Hotel mit Blick auf die Weser machte sich auch der SPD-Ortsvorsitzende Detmar Leo für die Wiederbelebung der alten Skala stark:
„Nachdem wir unsere so wunderschöne Stadt so wunderschön saniert haben, brauchen wir eine inhaltsreiche Kommunikationsstruktur für Bremen-Nord“.
Mitten im Sommerloch und deshalb auch in Abwesenheit des sich für das Kulturforum Bremen-Nord engagierenden Klaus Menzen, haben die Verantwortlichen des Cinemas und des Modernes ihre Pläne für „die qualitative Verbeserung des Lebensraums“ in Bremen-Nord still und heimlich und wir -wollten-nicht-daß-uns-jemand-in-die-Quere-kommt abgeschlossen: Das Konzept ist formal schon abgesichert, der Bau-Antrag ist von den zuständigen Behörden genehmigt, „Gespräche mit den Anwohnern“ sollen zwecks möglicher Belästigung noch geführt werden, „um die Situation für alle Beteiligten zu entschärfen“.
Wie sieht das Bau-Konzept aus: Der Balkonbereich in dem ehemaligen 1000-Plätze-Kino Skala wird abgetrennt, eine begehbare Decke eingezogen und der entstandene Raum akustisch getrennt, so daß ein Filmtheater mit einer Besucherkapazität von
250 bis 300 Personen entsteht. Inhaltlich versteht sich das Kino als Programmkino, „da können unsere langjährigen Erfahrungen einfließen“ (Gerd Settje), ein anspruchsvolles Programm wie im Cinema und Modernes ist beabsichtigt. „Es wird eine Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz werden“, sagt Heiner Hellmann vom Modernes: „Wir müssen Veranstaltungen machen, um andere, sprich unkommerzielle, auch bezahlen zu können“. Aber man will sich vom „kommerziellen Film“ abgrenzen, kein Rambo also in Bremen -Nord und auch kein Hardrock.
Unter dem Kinosaal wird ein Cafe entstehen, das als kommunikativer Ort vor, während und nach den Veranstaltungen zur Verfügung stehen wird. Der verbleibende, 300qm große Raum wird so um-und ausgebaut werden, daß er sich als Austragungsstätte für Konzert-Theater-und Kabarettgruppen eignen wird. 500.000 Mark Investion für den Umbau kalkulieren die zukünftigen Gesellschafter (T. und G. Settje, H. Hellmann, E. Woltersdorff), dabei wird kein Pfennig
von der SPD locker gemacht. Die aber garantiert „Hilfe, wo wir können, wir kennen die Verhältnisse vor Ort und können auch ein Wörtchen mitsprechen“.
Eine Kooperation mit dem Kulturforum Bremen Nord ist vorgesehen, „auch das Kommunalkino Bremen und die Filminitiative Bremen Nord werden eigene Programmteile stellen und Gelegenheit zur Mitgestaltung des Programms haben“, so stehts im Pressetext. Nur, die Filminitative, das Kulturforum und das Kommunalkino Bremen sind vor der Unterzeichnung des Mietvertrages nicht von den Plänen informiert worden, und auch jetzt ist von einer sinnvollen Kooperation noch keine Rede. Doch Detmar Leo, nicht nur Vorsitzende der SPD, sondern auch Mitglieds des Kulturforums ist optimistisch: „Es wird keine Konkurrenz zum Bürgerhaus Vegesack oder zum Kulturforum geben, wir wollen doch alle ein Klima schaffen für eine kulturelle Vielfalt“. Die Nordlichter können in Zukunft wohl auf spektakuläre „Schlafen-vor-dem-Rathaus-Aktionen“ verzichten.
Regina Keichel
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