: Verräter und Verratene
■ Rhein-Main-Info 3 erschienen / Im Mittelpunkt steht die Frage der internen Zusammenarbeit
Der heiße Winter in Rhein-Main ist vorbei, das Eis ist aber noch lange nicht weggeschmolzen. Monatelang war die ziemlich aktive StartbahngegnerInnen-Szene vorwiegend mit sich selbst beschäftigt, mußte Strukturen wiederaufbauen, sich um die Leute im Knast kümmern, das Aussagekarussell stoppen und gleichzeitig alle Teile der BRD und Westberlins mit Informationen versorgen. Eine Funktion, die zu erheblichen Teilen das Rhein-Main-Info übernimmt, dessen dritte Ausgabe jetzt zu haben ist. Im Rhein-Main-Info 3 wird über die aktuelle Haftsituation von Frank Hoffmann, Andreas Eichler und Reiner Hübner informiert (Andreas Semisch war noch nicht wieder in Haft). Außerdem werden die über „Radio Preungesheim“ Anfang März in die Zellen gesandten Informationen veröffentlicht (samt der Bastelanleitung für eine Knastbeschallungsanlage).
Schwerpunkt des Infos ist allerdings die „Verräter -Diskussion“: wie soll mit den Leuten umgegangen werden, die ihre belastenden Aussagen nicht zurückgezogen haben, ist dabei die Leitfrage. In einigen der insgesamt recht kontroversen Beiträgen wird allerdings auch kritisiert, daß diese Leitfrage viel zu spät ansetzt. „Statt Richter zu spielen, sollten wir lieber unsere Energien darauf konzentrieren unsere eigenen Beziehungen kritisch zu hinterfragen und Leuten, die unter Druck stehen, den rücken zu stärken. Wenn wir von anderen verlangen, daß sie vor den Bullen und dem Haftrichter persönliche Verantwortung und Mut unter Beweis stellen'können wir uns nicht draußen hinstellen und uns vor der Einlösung genau dieser Forderungen drücken. Hinterher Prügel anzudrohen, ist einfach zu billig.“ Andere AutorInnen sprechen sich für einen Ausschluß von „schwatzhaften personen“ von Demos und Treffen aus. Dagegen meint ein Autor aus der anarchistischen Zeitschrift 'Aktion‘, daß am Verrat nicht nur der Aussagende beteiligt ist. „Was weiß überhaupt jemand von Dingen, denen er persönlich offensichtlich nicht gewachsen ist und die er/sie beim kleinsten Verhör ausplaudert?“
Ein ausführlicher Beitrag über die Amnestiediskussion, der auch die geringe Auseinandersetzung der Linksradikalen mit möglichen Inhaftierungen thematisiert, und ein Reprint der im „Bluesm teil 2“ abgedruckten Verräter-Diskussion der „Bewegung 2.Juni“ komplettieren das Heft, das pluralistisch über die Diskussion in der Szene informiert, zur strategischen Perspektivdiskussion allerdings wenig beiträgt.
Denn während der Widerstand noch an seiner eigenen Rekonstituierung puzzelt, laufen die Planungen für eine reine Landebahn, die zwischen US-Airbase und Startbahn-West gequetscht werden soll, weiter. Wenn aber die Suche nach neuen politischen Wegen und Hebelpunkten vernachlässigt wird, führt auch die Organisationsdebatte nur wenig weiter.
oto
Rhein-Main-Info 3, 56 Seiten, 3 DM, zu beziehen über Info c/o Nicaragua-Komitee, 3.Welt Haus, Friesengasse 13, 6 Frankfurt 90
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