piwik no script img

Lobby der gekränkten Männer

Nicht ohne Erfolg agitiert der „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“ gegen das „männerfeindliche“ Scheidungsrecht / Besonders die Unterhaltszahlung an die Ex-Frau ist dem Herrenclub ein Ärgernis  ■  Von Heide Soltau

Das Hinterzimmerr des Steak-Hauses am Hamburger Hauptbahnhof ist überfüllt. Der Ober schleppt Stühle, doch ein Steak bestellen nur wenige. Die drei Dutzend mittelalterlichen Herren sind nicht gekommen, um sich den Bauch vollzuschlagen. Sie haben die Nase voll, und das reicht. Denn seit Jahren werden sie zur Kasse gebeten und müssen Frau und Kinder finanziell unterstützen. Das sei ungerecht, finden sie, und haben sich im Hinterzimmer versammelt, um ihrem Ärger Luft zu machen: geschiedene Männer, die spätestens an jedem Ersten eines Monats empfindlich an ihren Familienstand erinnert werden. Daß sie per Gerichtsbeschluß zu Unterhaltszahlungen verpflichtet worden sind, führt nun zu der grotesken Situation, daß sich gestandene Männer geradezu frauenbewegt geben und sich den Kopf zerbrechen, wie sie ihre Ex-Frauen zu einer Erwerbsarbeit motivieren können. „Es wird ihr nicht guttun, wenn sie länger zu Hause bleibt und sich nur um die Kinder kümmert“, meint ein Mittvierziger und guckt sich beifallheischend um. „Eine moderne Frau braucht doch heute einen Beruf“, fügt er schwer atmend hinzu, während er ein kariertes Taschentuch hervorzieht und sich die Schweißperlen von der Stirn wischt. Viele nicken zustimmend. Sie, die jahrelang mit einer nicht erwerbstätigen Ehefrau zusammenlebten und selbstverständlich die Annehmlichkeiten von geputzten Wohnungen, gewaschener Wäsche, gebügelten Hemden und gekochtem Essen genossen haben, nehmen plötzlich Worte wie Selbstverwirklichung und Emanzipation in den Mund.

Wären sie zu Ehezeiten damit konfrontiert gewesen, hätten die meisten dieser Männer wohl heftig protestiert. Die Ehefrau im Hause hatte ihnen solange gut gefallen, wie sie davon profitieren. Die sich so wie Fürsprecher der Frauenemanzipation gerieren, sind Mitglied im „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“. Den gibt es wirklich und zwar ganz wie es sich gehört: mit Vorstand und Vorsitzendem, Kassenwart und Bezirksstellen. Und gemeinützig ist die Organisation der Sicherheitsbedürftigen auch noch.

An der Tür zum Hinterzimmer steht der Herr Gott und begrüßt die Neuankömmlinge. Auch ihn gibt es wirklich: einen leibhaftigen - Herrn Gott. Er ist der Hamburger Bezirksstellenleiter und hält die eingetragenen Schäfchen zusammen. Es ist dies das erste Treffen der Hamburger Sektion, denn bis November letzten Jahres nannte sich der Herrenclub: ISUV, 'Interessen- und Schutzgemeinschaft unterhaltspflichtiger Väter und Mütter‘.

Gegründet wurde die Gemeinschaft nach Inkrafttreten des neuen Ehe- und Scheidungsrechts 1977 und war von Anfang an ein Männerbund. Frauen sind hier kaum mehr als ein Appendix, man hängte sie lediglich hinten an. 95 Prozent der knapp 10.000 Mitglieder sind männlichen Geschlechts, und bei den verbleibenden fünf Prozent handelt es sich um Frauen, die mit Geschiedenen verheiratet sind, wie Peter Meinck, der Bundesvorsitzende des Verbandes, zugeben muß. „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“, so ganz ist der Bundesvorsitzende mit dem neuen Namen nicht zurfrieden, doch besser als der alte sei er allemal. „Wir wollen etwas Positives und die Ehen und Beziehungen sicherer machen“. Geht das? „Wir sind der Meinung, daß es für Frauen nicht gut ist, daß sie derartig vom Gesetz übervorteilt werden. Man tut ihnen damit keinen Gefallen“, meint Peter Meinck besorgt. „Denn“, so der Vorsitzende weiter, „die Männer werden noch vergrault. Das Risiko, eine Ehe einzugehen, ist einfach zu groß.“

Da haben wir also die Erklärung für das Phänomen der vielen alleinstehenden Frauen! Sie sind also selbst Schuld, wenn die Männer sie nicht wollen. Komisch nur, daß heute weitaus mehr Ehen in die Brüche gehen, weil Frauen es nicht mehr aushalten und ihre Männer verlassen. Für eine „gesunde“

Familienpolitik

Der „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“ möchte „denjenigen, die ins Wasser gehen, das Schwimmen beibringen“, wie Peter Meinck blumenreich ausdrückt, und das heißt: keine Ehe ohne Ehevertrag. Das ist die „wahre Emanzipation“. Dazu gehört der Kampf gegen das „Recht der Frau auf Unterhalt“. In Ausnahmefällen, wenn kleine Kinder zu versorgen seien, oder bei Krankheit und Alter, sei es selbstverständlich, daß Geschiedene Unterhalt zahlen, aber diese Ausnahmen seien heute die Regel, entrüstet sich Herr Meinck. Der zierliche Mann, der selbst übrigens für seine Ex -Frau nie Unterhalt zahlen mußte, bekommt plötzlich einen roten Kopf. Nein, Zahlen könne er nicht nennen, räumt er ein, und dann fällt der entscheidende Satz: „Wir sind der Meinung, wenn jemand aus eigenem Ermessen eine Beziehung aufgibt, dann muß er (ER ist es ja (d. Sin)) auch in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Zumindest nach einem Zeitraum von drei Jahren“, fügt er hinzu. Von daher weht also der Wind: Die verlassenen Männer wollen die untreuen Ehefrauen mit finanziellem Druck zur Raison bringen. Und was geschieht, wenn Männer sich nach 20 oder 30 Jahren von ihren Ehefrauen absetzen und die keine Arbeit mehr finden? Peter Meinck ist um eine Antwort nicht verlegen. „Geschiedene nehmen dem Staat eine Soziallast ab, im Grunde sind wir ein erweitertes Bundesarbeitsamt“.

Deutlicher noch als es der Bundesvorsitzende formuliert, steht es in der verbandseigenen Zeitung: Es geht um die Verteidigung angestammter Männerprivilegien. Das betrifft das uneingeschränkte „Recht verheirateter Männer auf Sex und körperliche Liebe“ ebenso wie die auf eine „falsch verstandene Emanzipation ausgerichtete Frauenpolitik Rita Süssmuths, die zu Lasten der Familie geht“. Da ist vom „rot -schwaz-gelb-grünen Bonner Frauen-Clan“ die Rede, der gemeinschaftlich die Ehe untergrabe, und vom Fehlen einer „gesunden Familienpolitik“. Die nämlich sei längst „zu einer reinen Frauenpolitik deformiert“. (Schön wär's! (d. Sin)) Seit 1977 werde „das Ausbrechen einer Frau aus der Ehe nicht nur begünstigt, sondern sogar noch finanziell belohnt“. (Schön wär's! (d. Sin)) Während man Männern finanzielle Lasten aufbürde und sie „oftmals für immer seelisch, moralisch und finanziell ruiniert“ (ach Gott, Herr Gott (d.Sin)) würden, winke geschiedenen Frauen ein üppiger Unterhalt und ein unbeschwertes Leben. Und so weiter und so fort. Mehr Unterhaltsverfahren

Die Verbandszeitschrift ist ein Witz und eine Fundgrube für Kabarettisten. Das ist auch die Meinung von Experten. Der „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“ wird von Familienrichtern, Anwälten und vom Familiengerichtstag nicht weiter ernstgenommen, meint die Hamburger Rechtsanwältin Sabine Scholz. Wenn überhaupt, vermutet sie, finden die wohl nur Unterstützung bei betroffenen Juristen. „Wer unter Umständen von 6.000DM 3.000DM an Kinder und Ex-Ehefrau zahlen muß, fühlt sich eben gern ungerecht behandelt.“ Aber diese, von der Sensationspresse hochgespielten Fälle sind die Ausnahme. Im Durchschnitt beträgt der monatliche Unterhalt einer geschiedenen Frau 420DM (üppig, üppig (d.Sin)) und, was kaum bekannt und einer Studie der Universität Hannover zu entnehmen ist, dreiviertel der potentiell unterhaltsberechtigten Frauen verzichten auf Zahlungen vom Ex-Ehemann.

Gleichwohl gibt es immer mehr Unterhaltsverfahren, wie Sabine Scholz hervorhebt, und es wird heute vor Gericht wieder verstärkt schmutzige Wäsche gewaschen. Möglich geworden ist das durch die Rechtsprechung nach der Novellierung des Ehe- und Scheidungsrechts von 1977. „Die Gerichte haben etwas vorweggenommen, was ursprünglich nicht im Gesetz stand: nach kurzen Ehen von einem Jahr gibt es keinen Unterhalt, auch wenn in der Zeit ein gemeinsames Kind geboren worden ist. Und: hat die getrennt lebende Frau einen Freund, wird das unter Umständen als schwerwiegendes Fehlverhalten gewertet.“ Die „Untreue“ der Frau kann zu Verlust des Unterhalts führen. Klagen wie von Mitgliedern des „Verbands für sichere Partnerschaft und Ehe“ sind, wie sich zeigt, nicht wirkungslos geblieben. Seit einem Jahr gibt es den §1579, mit dem gesetzlich, festgelegt ist, wann ein Unterhaltsanspruch „zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen“ ist.

Die Lobby der gekränkten Männer ist größer also als viele Frauen meinen. Vor einem Jahr haben die in Sachen „wahrer Emanzipation“ Aktiven einen Schaukasten am Hamburger Familiengericht gemietet und dort einen Leidensgenossen ausgestellt, einen bis zur Unterhose entkleideten Mann in Ketten. Um Mißverständnissen vorzubeugen, für die Aktion hatte sich weder der Herr Gott persönlich noch einer der anderen mittelalterlichen Herrn aus dem „Verband für sichere Partnerschaft und Ehe“ zur Verfügung gestellt: Der Mann war aus Plastik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen