piwik no script img

Bonn: Asyl auch ohne Todesstrafe

Umwandlung der Todesstrafe gegen drei Chilenen in lebenslange Haft überraschte Bonn  ■  Von Till Meyer

Berlin (taz) - Überrascht zeigte man sich im Auswärtigen Amt über den Bericht in der taz von gestern, daß die Urteile gegen drei der 15 chilenischen Todeskandidaten in zweiter Instanz zu lebenslänglicher Haft umgewandelt wurden. Die Genscher-Truppe war völlig uninformiert und will nun unverzüglich einen Bericht aus ihrer Botschaft in Santiago anfordern. „Auch wenn jetzt nicht die Todesstrafe verhängt wurde, werden wir alle Fälle weiterhin sorgfältig beobachten“, erklärte der Pressesprecher gegenüber der taz. Eine Asylgewährung für die Chilenen ist auch ohne den Druck der Todesstrafe nach Meinung des Außenministeriums „nicht ausgeschlossen“. Die drei in zweiter Instanz zu lebenslanger Haft Verurteilten, Hugo Marchant Carlos Araneda und Jorge Palma, sind Widerstandskämpfer der ersten Stunde. Schon unmittelbar nach dem Putsch der Militärs 1973 gegen die frei gewählte sozialistische Regierung Allende, beteiligten sich die in der „Bewegung der revolutionären Linken“ (MIR) Organisierten aktiv am Aufbau des Widerstandes gegen die Militärdiktatur. Alle drei sind 1987 in erster Instanz zum Tode verurteilt worden. Carlos Araneda ist jetzt 38 Jahre alt und wurde im September 1983 zusammen mit seiner Lebensgefährtin von der Geheimpolizei in Santiago verhaftet. Bei einem Ausbruchsversuch aus dem Gefängnis wurde er durch mehrere Schüsse verletzt. Sein linkes Bein ist bis heute nicht mehr normal beweglich. Hugo Marchant ist 33 Jahre alt und mußte bereits 1974 ins Exil nach Österreich, nachdem er kurzfristig inhaftiert wurde, weil er Flugblätter verteilt hatte. 1979 kehrte er illegal nach Chile zurück. Auch er wurde im September 1983 mit seiner Frau und seinen Kindern verhaftet. Jorge Palma ist 38 Jahre alt und mußte 1978 mit seiner Familie ins Exil nach Belgien gehen. 1980 kehrte Palma illegal nach Chile zurück. Sein Bruder ist seit 1974 verschwunden, sein Schwager wurde von der Geheimpolizei erschossen. Verhaftet wurde er ebenfalls im September 1983. Bei einem Ausbruchsversuch im Oktober 1985 wurde er schwer verletzt und hat Milz und eine Niere verloren.

Alle Gefangenen sind von der Geheimpolizei schwer gefoltert worden. Gegenwärtig befinden sich die drei im „Carcel Publica“, Gefängnis von Santiago.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen