: Nachverhandlungen in Neukaledonien
Frankreichs Hochkommissar und die kanakische Befreiungsfront FLNKS suchen Kompromiß / FLNKS kritisieren Stimmrecht für Mutterlands-Franzosen / Rocard für Verbleib der Kolonie bei Frankreich ■ Aus Paris Beate Seel
Auf der Pazifikinsel Neuklaledonien wird derzeit hinter verschlossenen Türen über die Zukunft der französischen Kolonie verhandelt. Am Dienstag abend kam der Pariser Hochkommissar, Bernard Grasset, zur dritten Gesprächsrunde mit der Delegation der kanakischen Befreiungsfront FLNKS unter Führung von Jean-Marie Tjibaou zusammen, um das sogenannte Rocard-Abkommen vom 26.Juni dieses Jahres „nachzubessern“. Auf einem Kongreß der FLNKS vor zwei Wochen hatte die kanakische Basis an zahlreichen Punkten des Textes Kritik geäußert. Vom weiteren Gang der Gespräche wird nun abhängen, wann sich der franzwösische Premierminister höchstpersönlich auf die Insel begeben wird.
Die FLNKS moniert vor allem drei Punkte des Abkommens, das von Rocard, Tjibaou und Jacques Lafleur, dem Vertreter der rechtsgerichteten, französisch-stämmigen Neukaledonier unterzeichnet wurde. Die Befreiungsfront möchte bereits in fünf Jahren über die Selbstbestimmung der Insel abstimmen, und nicht, wie vorgesehen, erst im Jahre 1998. Ein weiterer Streitpunkt betrifft das Stimmrecht. Während die Regierung in Paris die Wahlberechtigung auf Mutterlands-Franzosen zugestehen will, möchten die Kanaken nur Neukaledonier zur Stimmabgabe zulassen. Also das Wahlrecht auf jene beschränken, die wenigstens ein einheimisches Elternteil vorweisen können. Eine Aufteilung des Landes in drei Provinzen stieß auf Kritik, weil der reiche und von Europäern dominierte Süden des Landes allzugroß werden würde. Darüberhinaus fordert die FLNKS eine allgemeine Amnestie.
Nach dem zunächst für Mitte des Monats angesetzten Besuch Rocards auf Neukaledonien soll in der zweiten Augusthälfte in Paris eine Gesetzesvorlage eingebracht werden, die den Weg für das Referendum über das Abkommen im Herbst frei macht. Die rechtsextreme Nationale Front wittert bereits den Ausverkauf französischer Interessen. Ihr Vorsitzender, Jean -Marie Le Pen, malte kürzlich in einem Interview bereits das Bild eines Domino-Effekts an die Wand, das andere französische Kolonien zum Nachziehen verleiten könne. Le Pen wendet sich, wen wundert's, gegen die Auffassung, daß die Zukunft Neukaledoniens das Problem der Neukaledonier sei.
Doch bis Neukaledonien unabhängig ist, dürfte noch viel Wasser die Seine runterfließen. Rocard, der Architekt des Abkommens, erklärte letzte Woche, er persönlich befürworte den Verbleib der Kolonie im juristischen Rahmen Frankreichs. „Die Anerkennung der Würde eines minoritären Volkes widerspricht in keiner Weise der Zugehörigkeit zur französischen Republik“, sagte er der Zeitung 'Liberation‘. „Das ist in etwa mein Traum. Das ist auch die Hoffnung, mit der ich arbeite.“
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