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„Eine schöne Intrigen-Scheiße ist das!“

Pleite und wundersame Wiederauferstehung des Hamburger Privatsenders Radio Korah / Die Redaktion des „Kommunalen Radio Hamburg“ blieb im Clinch zwischen Anbietergesellschaft, Geschäftsführung und Aufsichtsbehörde auf der Strecke  ■  Aus Hamburg Peter Körte

Zum Abschied gab es Sekt, dazu Wut und Galgenhumor. Telefon und Telefax hatte die Postabgestellt, Notbänder wurden bereitgehalten. Die neugierigen Pressevertreter mußten auf klinkenlose Türen starren - außer dem taz-Mitarbeiter, dem es am Freitag gelang, sich in die Redaktionsräume des gerade in Konkurs gegangenen Hamburger Privatsenders Radio Korah zu mogeln. Techniker und RedakteurInnen packten ihre Sachen zusammen, nippten am Sektglas und diskutierten. Eine Mitarbeiterin überlegte laut, ihre vorproduzierten Beiträge schnell noch zurückzuziehen, eine andere fühlte sich „wie in einer Geisterstadt“. Ein männlicher Kollege winkte im Vorbeigehen ab: „Alles von langer Hand geplant.“

Überrascht war in der Tat keine(r) der Anwesenden. Daß das „Kommunale Radio Hamburg“, das am 1.Januar 1988 auf Sendung gegangen war (Motto: „Korah kommt“), vor dem Kollaps stand, machte in Hamburg schon des längeren die Runde. Freie Mitarbeiter hatten seit April keine Honorare mehr gesehen, die Festangestellten warteten im Juli vergeblich auf ihre Gehaltsstreifen. Fünf MitarbeiterInnen waren bereits im Juli entlassen worden, und das Werbeaufkommen ließ von Beginn an zu wünschen übrig. Zudem dachte man über eine Veränderung der Programmstruktur des Lokalsenders nach. „Wir müssen die hohen Anforderungen an die Hörer ein wenig herunterschrauben, ihnen auch etwas Unterhaltung gönnen“, hieß es im Juli.

„Die Geschäftsleitung hat nie mit offenen Karten gespielt, sondern uns nur verarscht“, erklärte dagegen ein Korah -Redakteur gegenüber der taz. „Ein Putsch, eine Palastrevolution ist das!“ Und eine Betriebsrätin prophezeite am Freitag: „Es wird weiter gesendet. Die Frage ist nur, von wem.“

Eine knappe Stunde nach dem Konkurs und der Entlassung aller 39 MitarbeiterInnen war diese Frage beantwortet. Ein fünfköpfiges Team hatte sich formiert und bastelte an einem Notprogramm. Pikanterweise handelt es sich bei den eifrigen NothelferInnen überwiegend um Personen, die bereits im Juli ihre Kündigung erhalten hatten. Zugleich begann unter der Ägide des Hamburger Amateur-Kunsthändlers Ernst Mayer -Schröder eine Auffangesellschaft zu beraten. Der branchenfremde Retter war schon vor dem Gang zum Konkursrichter als möglicher Käufer gehandelt worden.

Ermöglicht wird dieser fliegende Wechsel durch das Hamburger Mediengesetz, von dem sich die regierende Sozialdemokratie Großes verspricht. Radio Korah basiert ebenso wie der zweite gemeinnützige Privatsender in Hamburg, Radio OK, auf dem „Zwei-Säulen-Modell“. Eine Anbietergesellschaft aus gemeinnützigen Vereinen (bei Korah u.a. BUND, Robin Wood, Stadtteilgruppen, Bürgerinitiativen) hält die Lizenz und übt die Personal- und Programmhoheit aus. Mit der kommerziellen Betriebsgesellschaft, die das wirtschaftliche Risiko trägt, ist sie durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Über die Einhaltung der Statuten wacht einsam die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM), die zugleich die Lizenz vergibt.

Daß die beiden Säulen auf dem Boden der freien Marktwirtschaft nicht gerade sicher stehen, Konflikte daher systembedingt sind, kann sich jeder ausrechnen. „Eine schöne Intrigen-Scheiße ist das“, meint denn auch eine Korah -Redakteurin. Wie bei jeder anständigen Intrige rangelte jeder mit jedem. Die Anbieter, auch untereinander im Dauer -Clinch, waren mit Redaktion, Geschäftsführung und HAM unzufrieden, die HAM war um ihr Modell besorgt, und die Redaktion sah sich zwischen den beiden Säulen eingeklemmt. In ihrer Presseerklärung zog sie daher alle Beteiligten zur Verantwortung. Den Betreibern attestierte sie „unternehmerisches Unvermögen“, der HAM politischen Opportunismus und den gemeinnützigen Verbänden Selbstherrlichkeit. Die Anbieter hätten „eine Art Mutterkomplex“, befand ein Ex-Redakteur. Sie könnten es nicht ertragen, daß die Redaktion selbständig und ohne Gängelband arbeiten wolle. „Der Konkurs hätte vermieden werden können“, folgerte daher die Redaktion in ihrer Erklärung und forderte die HAM auf, „Licht in die Vorgeschichte zu bringen.“ „Vielleicht sollte sich auch die Staatsanwaltschaft mal um den Fall kümmern“, orakelte ein ehemaliger Mitarbeiter.

Geschäftsleitung und HAM suchten dagegen die Schuld in den Personalkosten und dubiosen Reichweitenanalysen, deren Ergebnisse die Werbekunden abgeschreckt hätten. Das Zwei -Säulen-Modell sei jedoch „nicht zur Diskussion gestellt“.

Zur Diskussion steht allerdings, wie es für die entlassenen MitarbeiterInnen weitergeht, die kein Angebot auf Weiterbeschäftigung erhalten werden. Ihre Zukunft ist ebenso offen wie die Frage, wer letztlich von der Dauerkrise profitiert. Die Anbieter dürften sich mit den Vorstellungen des neuen Geldgebers, dem mehr Werbung, mehr Musik und weniger Wortbeiträge vorschweben, kaum anfreunden können. Der Finanzier wird sich nicht mit renitenten Anbietern auseinandersetzen wollen, und die HAM steht ohnehin mit dem Rücken zur Wand. „Wir hätten eben am Freitag den Sender besetzen sollen“, meinte ein Redakteur resigniert.

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