piwik no script img

Tauschhandel am Golf

■ Zu den Waffenstillstandsverhandlungen in New York

Wer Geschäfte machen will, muß etwas anzubieten haben. Diesen einfachsten Grundsatz des Marktes haben die Dollar –potenten Kontrahenten des Golfkriegs offenbar zum obersten Prinzip ihrer menschenfressenden Politik erhoben. Mehr als zwei Wochen lang stritten sich die würdigen Repräsentanten aus Bagdad und Teheran am Sitz des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in New York um die Modalitäten der Waffenstillstandsverhandlungen. Die Frage war, ob man das Schlachten sofort in direkten Verhandlungen oder etwas vornehmer durch die Vermittlung des UN-Generalsekretärs beenden würde. In einer eigentümlichen Verkehrung der Rolle des Unnachgiebigen hatte zwei Wochen lang der Irak, und nicht wie bisher Iran, mit immer neuen Forderungen den Friedensprozeß verzögert.

Die letzten Zahlen des Internationalen Roten Kreuzes, dem globalen Leichenzähler, erklären die Motive der irakischen Hinhalte-Taktik: Bagdad nutzte seine relative militärische Stärke, um in diesen zwei Wochen nicht nur sämtliche noch von iranischen Truppen besetzten irakischen Territorien zurückzuerobern, sondern nahm nach eigenen, vom Roten Kreuz nun bestätigten Angaben, mehr als 13.000 Iraner gefangen. Mit diesen neuesten Kriegsgefangenen hat Saddam Hussein allein in diesem Jahr mehr als 30.000 Männer, oder vielmehr Tauscheinheiten, in seine Angebotspalette einreihen können. Die Geschäftspartner haben damit ein etwa gleich großes Volumen in den Friedensdeal eingebracht, denn der Iran konnte schon Ende 1987 auf stolze 50.000 Einheiten zurückgreifen.

Die Logik dieser Politik entspricht tatsächlich eher den Gepflogenheiten des unmittelbaren Warentausches, den primitivsten Umgangsformen der warenproduzierenden Gesellschaft. Nach dem üblichen internationalen Recht tauschen ehemalige Kriegsgegner ihre gegenseitigen Gefangenen ohne Rücksicht auf die jeweilige Zahl aus. Die machthungrigen Motive, die den Krieg erst auslösten, bestimmen also auch die Umstände seines Endes. Der Grenzstreit, der vor acht Jahren Anlaß der irakischen Invasion war, behält seine potentiell explosive Funktion für das auch nach einem Friedensschluß gespannte Verhältnis zwischen beiden Staaten. Es ist absehbar, daß die Kriegsgefangenen beider Seiten ein zweites Objekt unerträglich langwieriger Streitereien sein werden.

Thomas Reuter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen