: A D O L F G L A S S B R E N N E R
■ A D V O C E M D R O S C H K E N !
Der Commissionsrath Herr Cerf hat große Reisen gemacht, und an allen Orten und Enden, namentlich aber in Wien, allwo seine Hauptniederlage zu sein scheint, Priester und Priesterinnen Thalia's engagiert. Seine alte Oper ist bis auf den Bassisten Fischer und die Altistin Hähnel gänzlich zerstört, und nun wird sie plötzlich, wie der Phönix aus der Asche, glänzend hervorgehen, und die musikliebenden Ohren Berlins entzücken. So jetzt logieren en attendant in unseren Mauern die Sängerinnen Walker-Gehse, Pohl-Beisteiner und Schodel, viele Andere werden noch erwartet, ebenso eine Masse von Tenoristen, Baritonisten und Bassisten: Alles, was die Erde Schönes kennet, was sie hold und lieblich nennt, wird uns besuchen und auf den geweihten Brettern des Herrn Commissionsrathes seine Künste vormachen. Ich traf gestern durch Zufall mit Ihrem eigentlichen Correspondenten in Charlottenburg zusammen, und kann in Folge Dieses die Gastrolle, zu welcher Sie mich eingeladen haben, um ein Bedeutendes kürzen. Besagter Eigentlicher erklärte mir nämlich, daß er sich vorzugsweise über unsere Journalistik auslassen würde, und da eine Meinung diesen geringfügigen Gegenstand gänzlich erschöpft, so bin ich in der Mühe überhoben, meine Klagen in glatte Worte zu bringen. Denn wer kennte den Standpunkt oder besser die Situationen der berlinischen Journalistik, und möchte nicht in laute Klagen ausbrechen?
Ad vocem Droschken! Sie kennen diese beräderten Schiffe, welche immer weiter wollen und nicht vom Platze kommen: diese enge, klapprige Geduldmaschine, vor welcher ein dickfüßiger Kyritzer Pegasus ohne Flügel, dem's einmal in seiner Jugend feurig durch die Adern lief, wenn er von Galopp hörte? Der sich für fünf Silbergroschen zwanzig Minuten lang in einer unaussprechlichen Gangmanier bewegt, in einem Tempo, das gerade in der Mitte zwischen moderato und garnicht liegt? Diese Droschken ließen seit einiger Zeit etwas von Bewegung wahrnehmen, und zwar haben Satyriker behauptet: weil das Monopol ihrer Herren mit dem Glockenschlage 1837 zu Ende sei. Man sprach davon, daß die Regierung Concurrenz eröffnen und durch diese dem Publikum viel bessere Fuhrwerke verschaffen würde, allein wir hörten schon jetzt, daß Alles beim Alten bleiben, daß die „Droschken-Gesellschaft“ viertausend Thaler an die Armen zahlen und ihr Monopol behalten werde.
Die Glosse Adolf Glaßbrenners erschien am 22.9.1836 in der 'Mitternachtszeitung für gebildete Stände‘. Ausgewählt von
Michael Trabitzsch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen