: Stadträumlich inszenierter Müll
■ Landeskonservator Engel - ein Fundamentalist?
Wunderschön ist er, der Martin-Gropius-Bau, wie er leuchtend daliegt unter nachtblauschwarzem Himmel.
Geplant als Solitärbau, später flankiert vom Kriegsministerium, dann Kunstgewerbeschule und Völkerkundemuseum, fast zum Reihenhaus degradiert, machten ihn Krieg und Nachkrieg wieder zum Einzelstück - einsam und groß, von allen Seiten prächtig. Jahrelang konnte diese Herrlichkeit rundum abgeschritten werden.
Wer das seit zwei Wochen versucht, stolpert. Eine Mauer legt sich quer. Sie verläuft im Abstand von ca. 15 Metern vor der Mauer und verbindet nun stadträumlich den Gropius-Bau mit einem Häuschen für Mülltonnen. Bisher stehen nur der Sockel und die Pfeiler an der Straßenfront zur Niederkirchnerstraße - die ehemalige Prinz-Albrecht-Straße -, demnächst werden sie von einem Eisengitter und einem Tor aufgefüllt. Warum wurde hier gemauert? Utz Kampmann Gropius-Umbau-Architekt, froh darüber, einen Blödsinn mal nicht verantworten zu müssen - meint, der Landeskonservator hätte die Mauer bestellt, die Mauer sei historisch, womit er sagen will, es hätte früher schon mal an der Stelle eine gegeben. Tatsächlich schloß ab ca. 1880 ein nachträglich eingezogener Zaun das Kunstgewerbemuseum (jetzt Gropius-Bau) und das benachbarte Völkerkundemuseum (jetzt Parkplatz), beide voll mit kostbaren Sammlungen, von der Außenwelt ab.
Mit dem Völkerkundemuseum fiel auch der Zaun (oder die Mauer) der Nachkriegsabrißwut zum Opfer. Sie war funktionslos geworden, es gab keine zwei Gebäude mehr zu verbinden.
Daran hat offenbar das Müllhäuschen Entscheidendes verändert. Was weiß Herr Engel, der Landeskonservator, über den Sinn dieser Mauer?
Er weiß eine ganze Menge nicht, zum Beispiel nicht mal, ob das Müllhäuschen wirklich dort steht, wo früher das Völkerkundemuseum angrenzte, ob also der Abstand durch die Mauer korrekt angegeben ist. Er weiß auch nicht, wann die Mauer so aussah, wie sie jetzt nachgebaut wird. Alte Kupferstiche lassen den Verdacht zu, daß sie ihr Aussehen im Laufe der Zeit änderte. Sicher weiß er nur eins: daß da mal eine Mauer war. Man habe die alten Fundamente gefunden. Und er kennt endlich den Sinn. Die Rekonstruktion soll jetzt sichtbar machen, wo dereinst das Vorne und Hinten des Gropius-Baus war. Der ehemalige Haupteingang liegt nämlich, heute kaum beachtet, zur Niederkirchnerstraße hin, auf der in wenigen Metern Abstand die DDR-Mauer verläuft. Durch das pseudohistorische Gemäuer aus dem Hause Engel wird aber genau das Gegenteil erreicht - sie hält die Besucher schon jetzt davon ab, den Bau von allen Seiten zu erkunden.
Engel sagt, daß die Mauer die „Topographie des Ortes sichtbar werden lassen soll“ und er scheut sich nicht, auf das benachbarte Gestapo-Gelände mit den freigelegten Fundamenten der Gefängniszellen als Vorbild hinzuweisen.
Er übersieht: wäre dort nach seiner Logik gehandelt worden, hätte das Reichssicherheitshauptamt wiederaufgebaut werden müssen.
S.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen