: Lösungsmittel in Baden-Württembergs Milch
PCB-Höchstwerte in Milch um das Fünffache überschritten / Das Lösungsmittel hat sich auch im Fleisch der Tiere festgesetzt / Farbanstriche in Silos und Tanks sollen Urheber der Verseuchung sein / Versautes Grundwasser trotz Stickstoffreduzierung ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier
Seit zehn Jahren ist die Herstellung und Verwendung von Polychlorbiphenylen (PCB) laut Bundes-Immissionsschutz -Gesetz untersagt, vor zehn Tagen wurden das baden -württembergische Umweltministerium und das Landwirtschaftsministerium dennoch fündig. Das hochtoxische Lösungsmittel dümpelt in baden-württembergischer Milch und wabert im Fettgewebe badischer Kühe. Daß die krebserzeugende Substanz in Futtermittelsilos, Tankwagen und Milchkühen zehn Jahre lang unentdeckt blieb, erklärte der baden -württembergische Minister für den Ländlichen Raum, Gerhard Weiser, damit, daß erst jetzt die Meßmethoden verfeinert worden seien. Am Montag hatte das Umweltministerium nach Messungen in den Molkereien des Landes, als Höchstmenge 0,024 Milligramm PCB ermittelt. Bei der gestrigen Pressekonferenz des Landwirtschaftsministers fehlte eine Null, - 0,25 Milligramm hatte man in Silos und Tanks gefunden. Der ab 1.Oktober gültige Höchstwert liegt bei 0,04 Milligramm pro Kilo Fettmasse.
Über zehn Jahre alte Farbanstriche in Silagen und den Tanks von Sammeltransportern sollen die Urheber sein. Fündig wurde man vor allem bei zwei von insgesamt 59 Tanklastwagen. Von 173 „Erzeugermilchproben“ wurden allein 45 Überschreitungen des künftigen PCB-Grenzwerts festgestellt.
Noch im März dieses Jahres hatten die Fleischprüfer des Landes bei 99 Überprüfungen keine Überschreitung festgestellt. Bei neueren Untersuchungen war es dann soweit, bei acht Kühen, deren Milch mit dem Lösungsmittel versetzt war, hatte sich das Zeug auch im Fleisch angereichert.
Das soll, glaubt man dem Landwirtschaftminister, jetzt alles anders werden. Die verseuchte Milch, so Weiser, könne samt PCB leicht entrahmt und dann in leerstehenden ehemaligen EG-Butterlagern gespeichert, die lösungsmittelgetränkten Silos sollten am besten abgerissen werden. Eine Verdünnung mit sauberer Milch, so Weiser, werde es nicht geben. Auch habe man den betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben vom Ab-Hof-Verkauf ihrer Milch abgeraten, und den Kühen selbst möge „man Zeit lassen zum Abbau des PCB in ihrem Fettgewebe“.
Aber wenn schon Kuh und Milch nach Lösungsmitteln duften, Baden-Württembergs Erdreich, meint der Minister, würde sauberer. Sechs Prozent des hiesigen Grundwassers, so hatten Untersuchungen im vergangenen Jahr ergeben, seien mit Düngemitteln und Pestiziden vergiftet, fast ein Drittel, so die Ergebnisse dieses Jahr, seien gefährdet. Mit einem Wasserpfennig und Subventionen für Wasserschutzgebiete wollte die Landesregierung der ungezügelten Düngewut baden -württembergischer Bauern Einhalt gebieten. Die jetzt vorgelegten Analysen sind ernüchternd. Unter 100 Kilo Stickstoff pro Hektar und Jahr, so Weiser, sei hierzulande auf Wiesen und Felder aufgebracht worden - weniger als in den meisten anderen Bundesländern. Doch selbst das, so Mitarbeiter der Universität Karlsruhe, sei noch ein Vielfaches dessen, was nützlich, sinnvoll und grundwasserschonend sei.
Fast in der Hälfte aller Wasserschutzgebiete waren nach dem Ende der Vegetationsperiode mindestens 45 Kilo Kunstdünger nicht abgebaut, bei sechs Prozent waren das 120 Kilo und mehr. Bei badischen Spargelbauern hatten die Karlsruher Wissenschaftler trotz intensiver Beratung eine bis zehnfache Überdüngung festgestellt.
Doch man kann das, wie Landwirtschaftsminister Weiser, auch positiv sehen: „Unsere Landwirtschaft hat zum Schutz von Boden und Wasser bereits viel getan, sie wird ihre Anstrengungen allerdings noch verstärken müssen.“
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