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Kabale um Küsten-Kabeljau

Holländische Fischer kaufen alte deutsche Kutter und damit wertvolle Anteile an der bundesdeutschen Kabeljau-Quote / Jetzt schlägt der Fischereiverband zurück  ■  Von Michael Weisfeld

„Hein Nase“ hieß er wegen seines markanten Gesichtsschnitts. Aber so typisch sein Spitzname, so wenig erfolgreich war Heinrich Hilgemeyer als Küstenfischer. Mit fast einer Million Mark Schulden soll sein Kutter 'Ostsee‘ belastet gewesen sein, als sich endlich, in Januar dieses Jahres, jemand fand, der den alten Kahn kaufen wollte. Der Mann hieß Müller und kam aus Emden. Bei einem Preis von just einer Million Mark wurde man handelseinig. „Hein Nase“ verstarb kurz nach dem entscheidenden Handschlag - schuldenfrei.

Seinen Platz in der Bremerhavener Kuttergenossenschaft nahm besagter Müller ein, aber nicht nur er: Miteigentümer der 'Ostsee‘ sind zwei Repräsentanten der holländischen Firma UVEC, eines Fisch-Verarbeitungsunternehmens aus dem Hafen Urk am Ijsselmeer.

Seitdem hat die 'Ostsee‘ ihren Heimathafen an der Wesermündung nicht mehr angelaufen. Sie fischt Kabeljau dort, wo er am dichtesten steht: vor der niederländischen Nordseeküste und im Ärmelkanal. Aus der Deutschen Bucht, dem dreckigsten Fanggebiet der Welt, hat er sich nämlich in den letzten Jahren in Richtung Westen zurückgezogen. Ihren mit Fisch gefüllten Bauch entleert die 'Ostsee‘ jetzt in Urk. Die Bremerhavener Verarbeitungsindustrie geht leer aus. Was die dortigen Küstenfischer aber am meisten erbittert: Unter deutscher Flagge und offiziell als Mitglieder ihrer eigenen Genossenschaft fischen die Holländer die bundesdeutsche Kabeljau-Quote leer.

Wieviel Tonnen Fisch der verschiedenen Sorten jede Nation aus der Nord- und Ostsee holen darf, das legen die Anrainer -Staaten jedes Jahr aufs Neue fest. Die niederländischen Fischer, mit einer leistungsfähigen Flotte und einem hochmodernen Background in der Verarbeitungsindustrie, fühlen sich seit Jahren bei den Quoten schlecht bedient.

„Die haben sich Quote gekauft“, sagt der Fischer Dieter Ehsemann, „der alte Kutter war Beigabe. Der war höchstens eine halbe Million wert, nicht eine ganze.“ Ehsemann will wissen, daß die holländische Besatzung der Ostsee nicht nur die Fische an Land bringt, die sie selbst gefangen hat. „Die übernehmen Fische auf See von anderen holländischen Kuttern, das wird dann als Fang aus der deutschen Quote verbucht.“

„Quote gekauft“ haben holländische Gesellschaften nicht nur in Bremerhaven: In Büsum sind drei der dort ansässigen acht Kutter über Strohmänner in holländische Hände übergegangen, in der Finkenwerder Genossenschaft ist es bisher einer.

Einen kuriosen Weg ging der Bremerhavener Trawler 'Ursel‘. Ihr früherer Eigner Helmut Neumann verkaufte die 'Ursel‘ an eine Lübecker Strohfrau und damit in spanisches Eigentum. Fernab vom Heimathafen, in der Irischen See, fährt die 'Ursel‘ jetzt den Seehecht-Schwärmen hinterher. Sind ihre Kühlräume voll, kehrt sie heim - nach Vigo an der spanischen Atlantikküste.

Über das Geschäft mit der 'Ursel‘ sind die Bremerhavener Fischer jedoch aus einem einfachen Grund nicht böse: Der Seehecht schmeckt den Deutschen nicht. Sie nutzen ihre Seehecht-Quote nicht aus, sondern können ungenutzte Kontingente sogar gegen Kabeljau-Quote tauschen.

Doch zurück zum Quotenklau der holländischen Fischer. Dem soll der deutsche Bundestag kurz nach seiner Sommerpause einen Riegel vorschieben: Eine Gruppe von CDU-Abgeordneten will, unterstützt vom Bundesernährungsministerium das Seefischerei-Gesetz verändern. In Zukunft soll das Bundesamt für Fischerei die Möglichkeit haben, denjenigen Kuttern, die 1987 oder später in die Genossenschaften eingetreten sind, die Fanglizenz wieder zu entziehen. Die niederländischen Quotenkäufer wären so mit einem Schlag vom Kabeljau weggedrängt. Gerade in diesen Tagen jedoch hat sich das Gesetzeswerk am Mißtrauen der deutschen Fischer festgehakt. Sie fürchten, daß sie nach der Gesetzesänderung selbst vielleicht keine neuen Lizenzen mehr bekommen. Etwa wenn sie durch einen Seeunfall ein Schiff verloren haben und mit einem Neubau auf den Markt wollen.

Gero Möcklinghof vom Ministerium ist über seine Kundschaft verzweifelt: „Man muß doch sachliche Kriterien finden für das Gesetz. Man kann doch nicht einfach sagen: Die Holländer kriegen keine Lizenz!“ Dennoch hofft er, daß Anfang September die Novelle über die Bundestagsbühne geht. Dafür bürgt ein Mann ganz besonders: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Peter Harry Carstensen aus Nordstrand. Sein Hauptberuf: Präsident des deutschen Fischereiverbandes.

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