Burg- und Burenfrieden in Südwestafrika

Einigung bei Angola-Namibia-Runde auf Grundlage von Pretorias Vorschlägen / Abzug kubanischer Truppen wird jedoch bilateral verhandelt / Modifizierung des südafrikanischen Zeitplans / UN-Generalsekretär soll Umsetzung der Resolution 435 vor Ort besprechen  ■  Von Knut Pedersen

Berlin (taz) - Wird der jetzigen Waffenruhe tatsächlich Frieden in Angola und Unabhängigkeit in Namibia folgen? Entgegen aller Erwartung der in Kraft gesetzte Burgfrieden wie ein Ei jenem „Burenfrieden“ gleicht, den die Angolaner und Kubaner noch vergangene Woche in Genf weit von sich gewiesen hatten. Es zeigt sich heute, daß ihre Empörung über den „Vertrauensbruch in der Verhandlungsethik“ offenbar vor allem die öffentliche Verlautbarung des von Pretoria vorgeschlagenen Zeitplans verurteilte.

Ansonsten haben sich die Delegationen nach vier Verhandlungstagen in Genf genau auf jene „ebenso präzisen wie inakzeptablen Daten“ geeinigt, die die letzte Woche zunächst verworfen worden waren. Mit einem einzigen Unterschied, dem allerdings ausschlaggebendes Gewicht zukommt: der Abzug der kubanischen Truppen ist nunmehr Gegenstand bilateraler Verhandlungen.

Die südafrikanische These von der direkten Abhängigkeit dem berühmten Junktim zwischen dem kubanischen Truppenabzug und der unabhängigen Zukunft Namibias - wird damit zumindest formal und völkerrechtlich aufgebrochen. In Ausübung seiner souveränen Hoheitsrechte verhandelt Angola mit Kuba über den Abzug jener „internationalistischen Brigaden“, die Südafrika seit 1982 als Vorwand dienen, um das benachbarte Namibia weiterhin unter Okkupationsstatut zu belassen.

Die Modifizierung des südafrikanischen Zeitplans rettet freilich nicht nur die völkerrechtliche Fassade. Denn mit dem direkten Junktim fällt auch das Prinzip der Gleichzeitigkeit, in dessen Namen Südafrika die ersten Schritte Namibias in die Unabhängigkeit mit dem Abmarsch der kubanischen Soldaten synchronisieren wollte. Noch vor einer Woche hatte Pretoria nich den vollständigen Rückzug des kubanischen Expeditionskorps innerhalb von sieben Monaten verlangt, das heißt im Rahmen der von der UNO-Resolution 435 festgelegten Übergangsphase in Namibia. Die Resolution sieht freie Wahlen unter UNO-Aufsicht zur Unabhängigkeit Namibias vor. Es ist mehr als unwahrscheinlich, daß die Angolaner und Kubaner am 1.September einen Vorschlag unterbreiten werden, der die Heimkehr von rund 45.000 Soldaten so kurzfristig programmiert.

Nachdem Kuba bisher vier Jahre vorgeschlagen hatte, wird allgemein mit einem auf etwa zwei Jahre befristeten Rückzug gerechnet. Die entscheidende Frage ist dann freilich, ob sich Südafrika auf einen solchen Zeitplan einzulassen gedenkt. Darüber läßt sich ebenso ausführlich und müßig spekulieren wie generell über die „strategischen Interessen“ Pretorias am andauernden Verhandlungsprozeß. Tatsache ist, daß seit vergangenem Mai eine Friedensdynamik in Gang gekommen ist, die seit vorgestern einen - vorläufigen Waffenstillstand als ersten, konkreten Erfolg ausweisen kann. Tatsache ist aber auch, daß die umstrittene Frage des kubanischen Truppenabzugs nach wie vor ungelöst ist - und jederzeit als Grund oder Vorwand dienen kann, um die Verhandlungsdynamik abzuwürgen.

Gegenwärtig ist davon keine Rede. Wie ebenfalls am Montag bekanntgegeben wurde, hat die südafrikanische Regierung UN -Generalsekretär Perez de Cuellar eingeladen, so „rasch als möglich“ vor Ort die praktische Umsetzung der Resolution 435 zu erörtern. „Bis zur Unabhängigkeit in Namibia und zu dauerhaftem Frieden im südlichen Afrika ist der Weg allerdings noch weit“, verkündete Staatspräsident Pieter Botha aber gleich einschränkend. Solche Vorsicht ist ohne Zweifel angebracht, zumal, da - neben vielen anderen Unbekannten - auch die künftige Strategie der diversen Guerillaorganisationen noch offen steht. In einer ersten Reaktion hat die namibische Befreiungsorganisation SWAPO ihre Bereitschaft zu einer Waffenruhe ab 1.September erklärt. „SWAPO wird ihr Bestes tun, um den Friedensprozeß im Südwesten Afrikas unwiderruflich und erfolgreich zu machen“, heißt es in einer SWAPO-Erklärung. Die angolanische - von Südafrika und den USA unterstützte - UNITA-Guerilla hat dagegen die Intensivierung ihrer Militäroperationen angekündigt, um „das MPLA-Regime in Luanda zur nationalen Aussöhnung zu zwingen“.

13 Jahre nach der bislang friedlosen Unabhängigkeit Angolas werden die Waffen mithin noch immer nicht schweigen. Jonas Savimbi und seine UNITA-Kämpfer werden im Gegenteil nichts unversucht lassen, um sich an den Verhandlungstisch zu bomben. Und bis zur nächsten Gesprächsrunde, die in der letzten Augustwoche - nach unbestätigten Meldungen in Rio de Janeiro - stattfinden soll, muß ein konsensfähiger Zeitplan für den Abzug der kubanischen Truppen ausgearbeitet werden. Das ist mehr, als man erwarten kann. Aber wer hätte noch vor sechs Monaten mit einer Waffenruhe im südwestlichen Afrika gerechnet?