Pflichtjahr verfassungswidrig

■ Justizminister Engelhard wendet sich gegen Dienstverpflichtung für Frauen / SPD: Pflegenotstand in Krankenhäusern durch verbesserte Arbeitsbedingungen beheben

Berlin (ap/dpa/taz) - Der jüngsten Forderung aus den Reihen der Bonner Koalition nach einem sozialen Pflichtjahr ist Bundesjustizminister Hans Engelhard (FDP) mit dem enschiedenen Hinweis entgegengetreten, eine solche Dienstverpflichtung sei verfassungswidrig. Engelhard betonte, nach Artikel 12a des Grundgesetzes sei „eine zwangsweise Heranziehung von Frauen zu Dienstpflichten eng begrenzt, nur für den Verteidigungsfall und auch dann nur im Bereich des Sanitäts- und Heilwesens zulässig“. Rigorose Ablehnung haben die Überlegungen auch bei SPD und Grünen hervorgerufen. Als „schlichtweg unzumutbar“ kritisierten die stellvertretende Bundesvorsitzende der AsF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen), Karin Junkers, und die Vorsitzende der Jungsozialisten, Susi Möbeck, den Vorstoß aus Unionskreisen, der mit dem „Plegenotstand“ in Krankenhäusern begründet worden war. Mit einem sozialen Pflichtjahr, so die SPD-Politikerinnen, würden die derzeitigen Probleme im Gesundheitswesen zu Lasten der Frauen privatisiert. Die Unterversorgung im Gesundheitswesen könne nur über eine massive Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Bezahlung der dort Beschäftigten erfolgen.

Die grüne Politikerin Waltraud Schoppe forderte Frauen aller Parteien auf, gemeinsam gegen den Vorschlag vorzugehen. Sie nannte die Forderung nach einem sozialen Jahr „ein erschreckendes Beispiel, mit welcher Unbefangenheit heute wieder auf die Vorbilder des Nationalsozialismus zurückgegriffen wird“.

Ausgelöst hatte die Diskussionen der Gesundheitsexperte der CDU, Roland Sauer, der angekündigt hatte, nach der Sommerpause einen entsprechenden Gesetzestext vorzuschlagen. Dem hatten sich am Wochenende auch der Sozialexperte der FPD, Dieter-Julius Cronenberg, und der Vorsitzende der Jungen Union, Christoph Böhr, angeschlossen. Böhr hatte gefordert, Frauen zwischen „dem freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr oder einem sozialen Pflichtjahr“ wählen zu lassen. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft gab inzwischen Zahlen zum „Plegenotstand“ im Gesundheitswesen bekannt. Danach fehlen in bundesdeutschen Krankenhäusern 60.000 Pflegekräfte und 20.000 Ärzte. Die DAG forderte eine Abkehr von einer „destruktiven Personalpolitik“, mit der Mittel eingespart werden sollen.

lu