: Bier 2 Mark, Cola umsonst
■ Das Fan-Projekt Bremen ist seit 1981 „Lobby für Fans“, aber kein Dienstleistungsunternehmen zur Entmündigung fußballbegeisterter Menschen
Der Arbeitsplatz ist einigermaßen idyllisch. Schön grün drumrum und direkt an der Weser. Ein gelbes Stück architektonischer Glanzleistung hinter dem Stadionbad: ein Kasten auf Stelzen mit Nebengebäude. Das ist auch gelb. Die Tür ist offen, man läuft direkt in die Küche. Ein selbst gemalter Schlengel-Pfeil deutet den kürzesten Weg zum Büro. Vorbei am Schild Bier 2 Mark, Cola, Wasser, O-Saft umsonst und Winkefähnchen in Werderfarben mit Suburbian Devils drauf. Das ist der 2-Jahre-ABMplatz von Rainer Riedel (ehemals Sportlehrer) und Manfred Rutkowski (Pädagoge aus „Doartmund“) und heißt Fan-Projekt Bremen.
Das von einer Uni-Bremen-Gruppe um Narziß Göbbel und der Bremer Sportjugend gegründete Unternehmen war 1981 noch bundesdeutsche Avantgarde. Heute ist es ein 2-Personen-ABM -Karussel nach dem „überlappenden Prinzip: jährlich wird einer von uns ausgewechselt. Der im 2. Jahr arbeitet jeweils den Neuling ein und verschwindet dann selbst. Wir bräuchten eigentlich viel mehr Kontinuität. Die Leute müssen sich ständig an neue Gesichter gewöhnen. Das ist für ein Fan -Projekt, das in erster Linie Gesprächspartner sein soll, nicht gerade hilfreich.“
Wegen fehlender finanzieller Unterstützung haben auch Berliner, Frankfurter, Bielefelder und Osnabrücker Projekte das pädagogisch wirksame Nettsein zu Fußball-Kids eingestellt. Die nach totgehauenen Fußballzuschauern immer mal wieder vehement geforderte Fan-Betreuung ist scheinbar einigermaßen wakkelig finanziert. 1986 noch (nach Brüssel) bat eine vom Bundestag einberufene Fachleute-Konferenz die Bundesregierung, zu prüfen, inwieweit Fan-Projekte
auch längerfristig gefördert werden könnten. 1988 zeigt Rutkowski grummelnd auf den ca. 100-Seiten-Abschlußbericht: „Und was ist das: Papier.“
Auch der Bremer „Fußball-ist-unser-Leben„-Kongreß (siehe Kasten) wird von Bonner Ministerien wenig ernst genommen. Jugend-und-Famile-Süßmuth möchte das 380.000 Mark teure Unterfangen am liebsten gar nicht bezuschussen. Der Bremer Jugendsenator Henning Scherf spricht für dpa von einem „jugendpolitischen Skandal“. Der DFB spendete immerhin 30.000 Mark. Bremer DFB-Vertreter und Werder-Präsident Franz Böhmert hält den Kongreß nämlich für „sinnvoll“.
Auf Skepsis stößt die von der Deutschen Sportjugend organisierte Veranstaltung aber auch bei den Fan-Projekten. „Da kommen Wissenschaftler und Politiker und sonstige Fachleute, und alle halten schöne Reden, aber die Projekte werden dadurch nicht besser finanziert. Wir würden mit 150.000 Mark im Jahr effektiv arbeiten können. Aber das Geld fließt in ganz andere Richtungen. Zur EM etwa wirft sich der DFB in die Brust, weil er 5.000 Mark für ein Fan-Camp in Stuttgart rausgerückt hat. Aber in Hamburg werden 50.000 für die Verköstigung von Prominenz ausgegeben. Und der Einsatz von Ordnungskräften im Stadion kostet Vereine und Kommunen Summen in Millionenhöhe.“
Trotzdem macht das Fan-Projekt Bremen natürlich mit beim Kongreß. Ein Diavortrag „Zur Erscheinungsweise der Fans im Wandel“, ein Ergebnis der vom Fan-Projekt gelegentlich eingelegten Theoriebildungs-Pausen, wird vorgezeigt und bei den „Pädagogische Arbeit mit Fans„-AGs mitgemacht. „Ich erhoffe
mir dabei viele Begegnungs möglichkeiten, besonders aber Austausch über Jugendarbeit mit Kollegen aus anderen Bereichen. Das vermeidet Betriebsblindheit. Und keinen Kongreß, auf dem nur über Fans gesülzt und gemacht wird, sondern Fans aktiv eingebunden werden. Vielleicht auch ein bißchen Rückenstärkung für die finanzielle Absicherung der Projekte“, so Rutkowski.
Geld für „Sabbelabende“, Videoveranstaltungen, das Fan-Liga -Sportangebot oder Einzelfallhilfe. Riedle&Rutkowski vermitteln schon mal einen Rechtsanwalt, Lehrstellen über das Jugendamt oder den rechten Ansprechpartner für den ganz ungewöhnlichen Wunsch. Gestern etwa wollte ein Neu-Vater -Fußballfan aus Twistringen den Nachwuchs gern im Weserstadion taufen lassen.
Petra Höfer
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