: Hör-Kosmos: "Vom neuen naturwissenschaftlichen Weltbild"
(„Vom neuen naturwissenschaftlichen Weltbild“, Teil 1: SFB 3, 2300 - 2400; die weiteren Teile am 18. und 25.8., jeweils 2300) Von Rebellentum gegen kulturelles Jagen, Zur-Strecke -Bringen und die Kadaver der Aktualitäten dann lässig auf der Kultur-Steppe Verrotten-Lassen kann bei dem Dreiteiler von Eberhard Sens über den Kongreß „Natur und Geist“ gesprochen werden. Im Mai hatte der ewig grinsende Welfenfürst Ernst Albrecht zu diesem noblen Kongreß alles geladen, was unter konventionellen und alternativen Nobelpreisträgern, Grundlagendenkern der Naturwissenschaft und physikalischen Weltbildhauern Rang und Namen hat. Nicht zu Unrecht wurde der Kongreß in Hannover als Medienspektakel in der auf Spektakel lüsternen Kulturwelt abgefertigt, wo sich Politiker gern mit Kapazitäten umgeben, denen sie gerade bis zu den Kniescheiben reichen. Aber das journalistische Sperrfeuer gegen den Medien-Coup hatte leider den Nachteil, so gut wie nichts von den Dingen durchkommen zu lassen, die trotz Albrechts Posse, des seligen Leibniz Nachfolger am Hofe zu versammeln, dort zur Sprache kommen konnten.
Während nämlich die planetarischen Belange in den langsam in Konkurs gehenden Sozialwissenschaften zu Tode systematisiert werden, hat sich in Chemie, Biochemie, Astrophysik und Astronomie langsam das Potential einer Revolution des naturwissenschaftlichen Weltbildes angesammelt: Nur sind die Grundlagen wie Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, Quantenmechanik oder der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik eher Bücher mit sieben Siegeln als allgemeine Kenntnisse, und da die Revolution der Naturwissenschaften davon ausgeht, bleibt sie weitgehend eine Sache für Spezialisten, während ihre Folgen ganz existentiell sind: „Sie heißen Fernsehen und Personal Computer und Compact Disc; aber sie heißen auch Hiroshima, Gentechnologie und Wiederaufbereitungsanlage.
Im ersten Teil der Sendung werden heute Äußerungen des Chemie-Nobelpreisträgers Manfred Eigen, des Physikers Hans -Peter Dürr und vor allem von Ilya Prigogine zu hören sein, der für seine Entdeckung „dissipativer Strukturen“, die Theorien offener Systeme in den Naturwissenschaften ermöglichen, 1977 den Nobelpreis erhielt.
Prigogine, 1917 in Moskau geboren und heute in Brüssel und Texas lehrend, ist alles andere als ein bornierter Naturwissenschaftler und hat für die langsam einsetzende Publizität der sogenannten „Chaos-Physik“ die einleuchtende Begründung, „daß der Wandel in unserem Verständnis von Zeit sich genau in dem Moment vollzieht, da sich die Menschheit in einem Zeitalter des Übergangs befindet (...) Die Idee eines sich verstärkenden chaotischen Prozesses ist zum Beispiel in den USA gerade nach dem 19. Oktober letzten Jahres populär geworden, jenem berühmten „schwarzen Montag“, dem Tag des Börsenchrashs an der Wall Street. Von da an fing jeder an, sich für chaotische und sich selbst verstärkende Prozesse zu interessieren.“ Da das Chaos an Börsen und anderen Plätzen des Sozialen und Asozialen in der neuen Großen Einheitlichen Theorie der Natur wenigstens Erklärungsmodelle erhält, können KandidatInnen alltäglichen Chaos‘ sich in Eberhard Sens‘ Sendung auf ihr System ohne System vorbereiten.
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