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Dollaranstieg erschwert Lösung ökonomischer Probleme  ■ N O C O M M E N T

Die Geschichte mutet bekannt an. Wie zu Zeiten der letzten Amtsphase von Jimmy Carter kommt es auch in der auslaufenden Amtszeit von Präsident Reagan zu einem neuen Dollarhöhenflug. Der chronisch dahinsiechende Dollar stieg damals binnen kürzester Frist vom Tiefpunkt 1,70 gegenüber der D-Mark auf mehr als 3,60 DM an. Entscheidender Faktor für diesen Auftrieb war damals der extreme Anstieg des Zinsniveaus, der auf einer strikt anti-inflationären Geldpolitik der US-amerikanischen Notenbank FED und der verzweifelten Nachfrage nach Neukrediten durch die verschuldeten Ökonomien der Dritten Welt beruhte. Die internationale Wirtschaftspresse, aber auch die breite Öffentlichkeit feierte den neu ins Weiße Haus gelangten Angebotspolitiker Reagan als Vater eines neuen US -amerikanischen Wirtschaftswunders.

Auch der heutige Anstieg des Dollarkurses ist wieder auf monetären Faktoren begründet. Kaum hat die FED ihren wichtigsten Leitzins, den Diskontsatz, von sechs auf sechseinhalb Prozentpunkte erhöht, übersprang der greenback die von den Medien als „magisch“ bezeichnete Hürde von 1,90 DM.

Bereits vor einiger Zeit wurde gemunkelt, der Anstieg des Dollarkurses würde auf konzertierte Aktionen politisch interessierter Kreise zurückgehen, die Vizepräsident Bush durch die vertrauensstiftende Wirkung eines höheren Dollarkurses ins Amt hieven wollten. Was immer von solchen Spekulationen zu halten ist: Wenig spricht dafür, daß sich die Geschichte der frühen Reagan-Jahre wiederholen wird. Allenfalls dürften wir Zeugen einer Farce werden. Zu grundsätzlich hat sich das weltwirtschaftliche Umfeld gegenüber den frühen achtziger Jahren verändert. Selbst die Spatzen pfeifen es mittlerweile von den Dächern, daß die US -amerikanische Ökonomie viel von ihrer einstmaligen Konkurrenzposition verloren hat. Noch zu Jahresfrist konnte man auch von wohlwollenden Experten hören, der Dollar müsse erst auf 1,30 DM sinken, damit das seit Jahren anhaltende riesige Handelsdefizit der USA abgebaut werden könne. Aus realwirtschaftlicher Perspektive hat sich wenig an dieser Einschätzung geändert: Gemessen an der ökonomischen Leistungsfähigkeit ist der Dollar überbewertet. Aber die Steigerungsraten von Arbeitsproduktivität und Marktanteilen sind im Kapitalismus der späten achtziger Jahre nur noch Faktoren neben anderen, die den Wechselkurs bestimmen. Mindestens ebenso entscheidend sind heute die Verwertungsraten für anlagesuchendes Geldkapital.

Ein Anstieg des Zinssatzes bedeutet höhere Erträge für die internationalen Vermögensbesitzer. Die auf diesem Wege in die USA umgeleiteten Geldkapitalströme haben eine Aufwertung des Dollar zur Folge. Auf der anderen Seite werden aber auch die US-amerikanischen Exporte verteuert und die Importe der USA verbilligt. Nicht gerade der Weg, um das Handelsbilanzdefizit zu schließen.

Ein Abbau dieses Defizits muß aber auf der Tagesordnung der Nach-Reagan-Ära stehen, wenn der ökonomische Abstieg der einstmaligen Hegemonialmacht gebremst werden soll. Sollte kurzfristig der Dollarauftrieb die Bewältigung dieser Aufgabe behindern, dann steht der nächsten US-Administration ein schlagkräftiges Politikinstrument zur Verfügung: Das gerade verabschiedete Handelsgesetz. Der protektionistische Knüppel, wird er nicht nur geschwungen, sondern wird auch mit ihm zugeschlagen, dürfte aber das Vertrauen der Vermögensbesitzer in die US-Währung schnell wieder untergraben. Ein internationaler Wirtschaftskrieg hat sich noch nie positiv auf die Währungsparitäten ausgewirkt. Die Entwicklung des Dollarkurses und die Restrukturierung der US -amerikanischen Ökonomie generieren für die staatliche Wirtschaftspolitik ganz offensichtlich ein Dilemma. Notwendig wäre eigentlich eine tiefgreifende Umstrukturierung und eine Beschneidung der unproduktiven Sektoren der Wirtschaft. Das geht nur, indem „vested interests“ angekratzt werden - wahltaktisch nicht gerade ein erfolgversprechender Schritt. Man wird vermutlich den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November abwarten müssen, um Präziseres über den Dollarkurs sagen zu können.

Kurt Zausel