„Aufgeklärtes Kapital“ und Apartheid in Südafrika

Unternehmens-Anzeige im 'Spiegel‘ wirbt für Abschaffung der Apartheid / Ökonomische Integration zur Befriedung des politischen Widerstandes der Schwarzen  ■  Von Kurt Zausel

Berlin (taz) - Eine Anzeige im 'Spiegel‘ bringt es an den Tag: Auch südafrikanische Unternehmen sind gegen die Apartheid. Auf einer ganzen Seite des Hamburger Nachrichtenmagazins werden Auszüge aus dem Jahresbericht des Chairman der Anglo American Corporation of South Africa Limited (AAC) zusamengestellt, mit denen nicht etwa für ein Produkt, sondern für die Abschaffung des Apartheid-Systems geworben wird.

„Die Anglo American Corporation hat zwischen ihrer Funktion als gewinnorientiertes Unternehmen der Wirtschaft und ihrer sozialen Verantwortung und dem Engagement für eine bessere, gerechtere Gesellschaft zu keiner Zeit einen Konflikt gesehen.“ Und: „Diese soziale Verantwortung, die wir von jeher akzeptieren, geht Hand in Hand... mit unserem Engagement für die Befreiung der Menschen Südafrikas von dem unguten Erbe rassistischen Denkens, das nicht nur dem Glück der Menschen, sondern auch der vernünftigen Nutzung unserer Ressourcen Abbruch tut.“

Hinter dem Namen Anglo American Corporation verbirgt sich die größte Kapitalgruppe Südafrikas, die insgesamt 270.000 Arbeitskräfte beschäftigt und einer der größten Rohstoffkonzerne der Welt ist. Chef dieses Großkonzerns war bis 1986 Harry Oppenheimer, Galionsfigur des „aufgeklärten Kapital„-Südafrikas. Gegründet wurde die AAC im Jahr 1917 durch den Diamantengroßhändler Ernest Oppenheimer unter tätiger Mithilfe US-amerikanischer Großbanken. Dank geschickter Finanz- und Übernahmestrategien gelang es nach kürzester Zeit, ein weltumspannendes Rohstoffmonopol aufzubauen, dessen Zentrum die Förderung und Vermarktung von Diamanten und Gold war. Seit den siebziger Jahren ist die AAC verstärkt in die Förderung strategischer Rohstoffe eingestiegen, wo sie mittlerweile in Südafrika eine Monopolstellung innehat und darüberhinaus durch ein enges Netz an Unternehmensbeteiligungen auch weltweit eine beherrschende Stellung einnimmt.

Südafrika ist nicht allein der weltgrößte Produzent von Platin - einem Rohstoff, ohne den vor allem die militärischen high tech-Produkte nicht auskommen können. Im Apartheidsstaat lagern darüberhinaus auch neunzig Prozent aller bekannten Reserven. Die gilt es zu fördern und zu vermarkten. Und genau hier liegt auch das politische Dilemma der AAC. Die „vernünftige Nutzung“ dieser Ressourcen, wie es in der Anzeige heißt, gerät immer mehr in Widerspruch zur rassistischen Organisationsform der südafrikanischen Gesellschaft. Dies gilt insbesondere für den Bergwerkssektor, in dem mehrheitlich schwarze Arbeitskräfte beschäftigt sind. Nicht allein, daß die Lohnunterschiede zwischen weißen und schwarzen Arbeitskräften gewaltig sind. Entscheidender ist, daß die gerade im Bergwerkssektor wichtigen Arbeitsbedingungen jeglichem Standard spotten. Die schwarze Minengewerkschaft NUM spricht davon, daß die Arbeitsbedingungen in den südafrikanischen Minen die schwierigsten und gefährlichsten auf der ganzen Welt sind. Die Unglückszahlen sprechen eine deutliche Sprache: Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf kamen zwischen 1973 und 1984 8.503 Menschen bei Bergwerksunglücken ums Leben. Etwa 230.000 Menschen wurden verletzt. Über 95 Prozent der zu Tode gekommenen Bergarbeiter sind Schwarze. Angesichts dieser Zahlen wundert es nicht, daß der südafrikanische Bergwerkssektor zu den am besten gewerkschaftlich organisierten Bereichen der südafrikanischen Wirtschaft zählt. Eine Vielzahl großer Streiks hat mittlerweile auch den Konzernen klar gemacht, daß das ökonomische Kalkül der Apartheid - billige und politisch entrechtete Arbeitskräfte zur Sicherung der Profite - nicht länger aufgeht. Der Widerstand der Schwarzen gegen die Apartheid führte zunehmend zu ökonomischen Kosten. Das „aufgeklärte“ Kapital hat darauf reagiert: Dem Widerstand ist die gesellschaftsverändernde Spitze zu brechen und er ist politisch einzubinden, um so das Apartheidsregime an die veränderten ökonomischen Bedingungen anzupassen. Ökonomische Integration lautet das von der AAC verkündete Stichwort. An den hinter den Apartheidsregelungen verborgenen Klassen- und Machtverhältnissen braucht dann nichts verändert werden.