PCB in Muttermilch ignoriert

Höchstwerte des krebserzeugenden Lösungsmittels in der Kuhmilch um das Fünffache überschritten / Verseuchte Milch aus Baden-Württemberg zwischengelagert  ■  Aus Stuttgart Dietrich Willier

Seit zehn Jahren sind Herstellung und Verwendung von Polychlorbiphenylen (PCB) laut Bundes-Immissionsschutz -Gesetz untersagt, vor zehn Tagen wurden baden -württembergische Behörden dennoch fündig. Das hochtoxische, krebserzeugende Lösungsmittel dümpelt in hiesiger Milch, hat sich im Fettgewebe von Kühen angereichert, weil es in Farbabstrichen von Tankwagen und Futtersilos steckt. Bis zu 0,20 Milligramm wurden ermittelt, das Fünffache der ab 1.Oktober dieses Jahres zulässigen Höchstmenge.

Die Landesregierung, so der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Gerhard Weiser, will Abhilfe schaffen. Die verseuchte Milch, so Weiser am vergangenen Dienstag, könne samt PCB leicht entrahmt und bis auf weiteres in leerstehenden EG-Butterlagern gespeichert werden, bei den lösungsmittelgetränkten Futtersilos sei der Abriß meist die billigste Lösung. Den PCB-haltigen Kühen möge man Zeit geben zum Abbau der Lösungsmittel in ihrem Körper. Die Landwirte der betroffenen Höfe, sollen bis auf weiteres auf Direktvermarktung verzichten.

Doch was dem Landwirtschaftsministerium für die Kühe recht ist, ist dem Gesundheitsministerium für stillende Mütter noch lange nicht billig. Schon vor sechs Jahren hatte die erste baden-württembergische Grünen-Fraktion bis zu achtzigfache Konzentration von PCB in der Muttermilch festgestellt. Ihr bisher einziger erfolgreicher Antrag, die künftig kostenlose Regeluntersuchung von Muttermilch, wurde vom Parlament mehrheitlich beschlossen.

Mittlerweile ist der Parlamentsbeschluß faktisch längst rückgängig gemacht. Die Zahl der untersuchungswilligen Mütter war dermaßen angestiegen, daß sich die chemischen Untersuchungsanstalten überfordert sahen und das Gesundheitsministerium das Projekt stoppte. In den Muttermilchproben waren 0,78 bis 4,74 Milligramm PCB gemessen worden, das 20- bis 100fache der für Lebensmittel zulässigen Höchstgrenze.

Muttermilch allerdings, das Elixier für die Kleinsten, zählt nicht als Lebensmittel. Untersuchungen werden jetzt nur noch bei Frauen, die länger als vier Monate stillen, kostenlos durchgeführt.