: Bundesrepublik unter Ausnahmerecht
Mit Antiterrorgesetz gegen IWF-Gegner / Generalbundesanwalt Rebmann erwirkt Freibrief für Massenkontrollen / Anlaß: Tagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank im September in Berlin / Innensenator Kewenig verweigert jede Auskunft ■ Von Till Meyer
Berlin (taz) - Aus Anlaß der bevorstehenden Tagung von IWF und Weltbank in Berlin hat der Bundesgerichtshof (BGH) auf Antrag von Generalbundesanwalt Rebmann über West-Berlin und die Bundesrepublik den Ausnahmezustand verhängt. Die Möglichkeit dazu ergibt sich aus dem Paragraphen 111 der Strafprozeßordnung, der aus dem Arsenal der Antiterrorgesetzgebung stammt. Dieser Paragraph gibt der Polizei einen Freibrief, „Kontrollstellen auf Straßen und Plätzen einzurichten“, wann immer sie es aus „polizeitaktischen Gründen“ für geboten hält. Demnach ist jeder Bürger, der an eine derartige Kontrollstelle gerät, „verpflichtet, seine Identität feststellen zu lassen und sich wie mitgeführte Sachen durchsuchen zu lassen“.
Nach Informationen der taz hat der BGH schon im Mai die dafür notwendige Ermächtigung erteilt. Grund für den Erlaß dieses Beschlusses zur Massenkontrolle ist der nicht präzisierte Verdacht bundesdeutscher Sicherheitsorgane, daß es anläßlich der Jahrestagung von IWF und Weltbank Ende September zu Terroranschlägen kommen könnte.
Der Paragraph schreibt allerdings vor, daß ein „begründeter Verdacht“ gegeben sein muß, daß „eine Straftat nach Paragraph 129a StGB begangen worden ist“. Der Paragraph 129a stellt die Mitgliedschaft in und die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung unter Strafe. Gekoppelt an den Paragraph 111 ist überdies der Datenerfassungsparagraph 163d mit dem bezeichnenden Oberbegriff „Schleppnetzfahndung“. Damit können alle Bürger, die in eine Kontrolle geraten, mit Sicherheit davon ausgehen, daß ihre Daten und „die Umstände der Erfassung in einer Datei gespeichert werden“. Fortsetzung auf S. 2
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Diese Generalvollmacht ermöglicht der Polizei, U -Bahnbenutzer und Passanten ebenso zu kontrollieren und zu erfassen wie Besucher einer politischen Veranstaltung oder Protestdemonstrationen.
Eine Pauschalanwendung des Paragraphen 111 und die Aufrechterhaltung dieses Ausnahmezustands über einen unbestimmten Zeitraum hat es bisher noch nicht gegeben. Gegenüber der taz wollte der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Förster, nichts über die „begründeten Verdachtsmomente“, die in diesem Fall der Anwendung des Paragraphen 111 zugrunde liegen, mitteilen. Auch wollte er keine Auskunft darüber geben, für wie lange der Pragaraph Anwendung finden soll. „Die Ausstellung dieses Beschlusses datiert vom 20. Mai. Auf Antrag des Generalbundesanwalts wurde er im Juni erneuert“, erklärte BWA-Sprecher Förster.
Die Anwendung des Paragraphen gilt ohne räumliche oder örtliche Einschränkung, und zwar sowohl für West-Berlin als auch für das Bundesgebiet. Daß diese Maßnahmen bis zum Ende der IWF/Weltbank-Tagung gelten sollen, dementierte die Bundesanwaltschaft nicht. Bestätigt hat sie hingegen, daß in der Bundesrepublik bereits Kontrollen nach diesem Paragraphen durchgeführt wurden. Aber auch in Berlin hat es bereits größere Personenkontrollen an den Grenzübergängen Dreilinden und Heiligensee auf der Grundlage des Paragraphen 111 gegeben.
Berlins Innensenator Kewenig mochte zu diesem Freibrief für seine Polizei keine Auskunft geben und ließ erklären: „Sicherheitsüberlegungen zum IWF sind nicht dazu geeignet, in der öffentlichkeit erörtert zu werden“.
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