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Zweifelhaftes Angebot

■ Die im Skandal-Physikum durchgefallenen MedizinstudentInnen sollen nun mit einer Woche Vorbereitung erneut zur als „Himmelfahrtskommando“ empfundenen Prüfung antreten

119 Berliner MedizinstudentInnen, die im März durch das Skandal-Physikum gefallen sind, müssen jetzt binnen weniger Tage entscheiden, ob sie vom Angebot des Staatssekretärs des Gesundheitssenats, Hasinger, Gebrauch machen und die Prüfung wiederholen wollen. Erst vor zwei Tagen flatterte ihnen ein Schreiben des Landesprüfungsamtes ins Haus, in dem als Wiederholungstermin bereits der kommende Dienstag genannt wird. Ein „Himmelfahrtskommando“, so Vertreter des studentischen Interessenverbandes „Consilium medizinische Vorprüfung“, denn die nötige Vorbereitungszeit für die ärztliche Vorprüfung betrage mindestens zwei Monate. Hintergrund der ad-hoc-Entscheidung des Senats, allen Durchfallern - eingeschlossen diejenigen, die nach dreimaligem Mißerfolg eigentlich von der Exmatrikulation bedroht wären - noch eine Chance zu geben, sind Verwaltungsgerichtsentscheide in mehreren Bundesländern. Durchgefallene Studenten waren überall vor die Verwaltungsgerichte gezogen, weil sie sich in ihrer Chancengleichheit verletzt sahen. In Köln waren am ersten Prüfungstag versehentlich die Fragen für den zweiten ausgegeben worden und über Telefonketten, Telefax und Taxis schneeballartig in Umlauf gekommen. 160 der 320 Fragen waren damit einem Teil der Prüflinge vorzeitig bekannt geworden; weitere 50 waren von 70 Professoren und einer Computeranalyse als sinnentstellend und fehlerhaft eingestuft worden. Während Nordrhein-Westfalen inzwischen die Annullierung der Prüfung für die durchgefallenen KandidatInnen beschlossen hat, machen Berlin, Niedersachsen und Bayern eine endgültige Entscheidung vom Ausgang der verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren abhängig. Für diejenigen, die bereits zum vierten Mal das Procedere über sich ergehen lassen, kann dies bedeuten, daß ihr bestandenes Physikum Jahre später rückwirkend für ungültig erklärt wird. Statt einer nur vorläufigen Neuzulassung zur Prüfung fordern die StudentInnen vom Senat, sich bei den Gesundheitsministern der Länder für eine 20prozentige Punktegutschrift ihrer alten Prüfungsergebnisse einzusetzen. Im Hause von Senator Fink jedoch will man davon nichts wissen. Laut dem persönlichen Referenten des Gesundheitssenators Schültke, habe man erst das Vorgehen Bayerns abwarten wollen und sei dann „nachgezogen“.

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