Löcher in der Brandnacht

■ Im Prozeß gegen Steuerberater Kind gibt es Widersprüche zwischen polizeilichen Ermittlungen und Zeugenaussagen vor Gericht / Feuerwehrleute spekulieren, Kripobeamte interpretieren

Im Brandstiftungsprozeß gegen Wolfgang Kind und Werner Hildebrandt liegen nach zwei Wochen der Beweisaufnahme wesentliche Einzelheiten der Brandnacht im Dunkeln. Ende März 1984 war in einem Haus des Steuerberaters Kind in der Lietzenburgerstraße ein Feuer ausgebrochen. Den Ermittlungen der Polizei zufolge hatte in einer Pension in der vierten Etage der 43jährige Johannes Pöhlmann sein Zimmer angezündet. Pöhlmann kam durch einen Sturz aus der Balkontür ums Leben. Er soll zu der Brandstiftung von Werner Hildebrandt inspiriert worden sein, der, so die Anklage, die Wünsche Wolfgang Kinds weitergab. Kind kassierte anschließend von der Feuerversicherung 1,7 Millionen Mark.

Auch die zweite Zeugen-gruppe im Verfahren, die Einsatzleiter dreier Feuerwehrlöschzüge, konnten über das rasche Vordringen des Feuers vom vierten Stock in den Dachstuhl, der in kurzer Zeit völlig ausbrannte, nur spekulieren. Dem ersten Einsatzleiter war beim Blick in das brennende Pensionszimmer, ein großes, „fast kreisrundes Loch“ in der Decke des Raumes aufgefallen. Bei der Öffnung, durch die sich das Feuer im Dachstuhl ausbreiten konnte, habe es sich nicht um einen simplen „Durchbrand“ gehandelt, vermutete Brandoberinspektor L., der bei Zimmerbränden dort entsteht, wo die Temperatur am höchsten ist. Die Vermutung des Feuerwehrmannes, das ominöse Loch habe bei der Brandstiftung eine Rolle gespielt, machte zwar ihren Weg durch die Vernehmungsprotokolle der Polizei in die Aussage eines zweiten Einsatzleiters. Als diesem gestern seine alte Aussage vorgehalten wurde, mußte er zugeben, daß ihm das Loch in der Decke keineswegs seiner Größe wegen in der Brandnacht als Ursache für den seiner Meinung nach ungewöhnlich rasanten Verlauf des Brandes aufgefallen war. Er sei, räumte er ein, bei der polizeilichen Vernehmung darauf „hingewiesen“ worden.

Schon am Montag hatte als Sachverständiger der Leitende Branddirektor Schubert ausgesagt, der „Durchbrand“ in der Decke des Pensionszimmers sei für ihn, „nichts Besonderes“, eher ein „Normbrand“ gewesen. Ebenfalls am Montag hatte ein Tischler, der mit Bauarbeiten auf dem Dachboden des Hauses kurz vor dem Brand begonnen hatte, eine Erklärung für die schnelle Ausbreitung des Feuers geliefert: fast der gesamte Fußboden, inklusive der Schüttung zwischen den Bohlen, waren bereits enfernt. Nur Putz, Rohrgeflecht und Sparren trennten Dachboden und Pensionszimmer. Die dünne Decke des brennenden Zimmers setzte dem Feuer wesentlich weniger entgegen als ein normal dicker Boden. Noch weniger erhellen Pöhlmanns Pensionsgenossen die mögliche Brandstiftung. Irgendwelche Vorbereitungen, Geräusche, Gerüche? „Da war nichts.“

wvb