Kunicks Drittel-Kunststück

■ 300 Esser, aber nur 70 Kapitäne beim „Kapitänstag“ im Bremer Rathaus / Hafensenator Kunick stellte Bremer Gesetzentwurf zum 2. Schiffsregister vor

Als Bremen 1.000 Jahre alt wurde, hatte der Bremer Senat eine Idee: Jedes Jahr im August wollte er die Kapitäne, leitenden Schiffs-Ingenieure und Piloten zum Essen einladen. Das war 1965. Gestern also schon zum 22. Male kamen sie zum Mahle. Aber: Unter den vielen ganz ge

wöhnlichen blauen und grauen Anzügen mußte man die Kapitäns -Uniformen richtig suchen. Denn: Unter den mehr als 300 Essern waren nur etwa 70 Herren der Meere oder Lüfte. Die übrigen kamen aus Politik und Verwaltung, aus der Hafenwirtschaft und den Medien. Ein Rummel also, überstrahlt von den Fernseh-Leuchten dreier Sender. So war das wohl auch gedacht vor 22 Jahren: Bremen mit seinem Hafen und Flugplatz sollte ins Gespräch gebracht werden.

Hafensenator Konrad Kunik benutzte das Kapitäns-Forum, um eine Sommerpause zu beenden, nämlich die um das 2. bundesdeutsche Schiffahrts-Register. Wenn es nach der Bundesre

gierung gegangen wäre, dann wäre schon vor den Sommerferien ein solches Register eingerichtet worden. Reeder, die ihre Schiffe dort eintragen, sollten ausländische Seeleute nach den billigen Tarifen ihrer Heimatländer beschäftigen dürfen, also zu etwa einem Fünftel der bundesdeutschen Heuern. Aber: Am ideenreichen Widerstand der Seeleute scheiterte der Gesetzentwurf der Regierung - jedenfalls, was den Zeitplan angeht. Kunicks Part war es schon im Frühsommer, Kompromiß -Ideen auf den Tisch zu bringen: Nur ein Drittel der Schiffsmannschaften sollten die Reeder im 2. Register durch billige Ausländer ersetzen können; nicht alle, wie das der Regie

rungsentwurf vorgesehen hatte. Mit dieser weichen Haltung zog sich der sozialdemokratische Hafensenator den Zorn seiner Parteifreunde in der Gewerkschaft ÖTV zu. Deshalb formulierte er gestern vorsichtiger: Zwei Drittel der Besatzungen müßten Deutsche sein, forderte er, damit der Seemannsberuf in Deutschland nicht aussterbe. Wie aber das verbleibende Drittel ausländischer Matrosen zu bezahlen sei

-nach bundesdeutschen oder ausländischen Tarifen - das ließ Kunick auf dem Kapitänstag offen. Dennoch: Anfang September sollen die Ideen aus dem Hause Kunick als Bremer Gesetzesinitiative in den Bundesrat eingebracht werden.

mw