: HASSEMA 'N BETT?
■ Das Touristenproblem ist in erster Linie ein Problem der Touristen
Es gibt keine eigentliche Berliner Identität, sondern nur einige AUFFÄLLIGKEITEN. „Wat denn, wat denn.“ Es gibt in Berlin nur zwei eigentliche Touristenziele für Pauschalreisende: die Mauer und den Ku'damm Touristenbannmeile. Dort sieht es aus wie in anderen, normalen Touristenzielstädten. Straßenkünstler (Musiker, Maler, Pantomimisten etc.) verdienen sich die Groschen, die sie am Abend bei Joe oder in der O-Bar versaufen.
Fein säuberlich und ohne die Einheimischen zu gefährden, wird der Pauschaltouristenstadtankucker in Bussen durch die anderen Berliner Teile gekarrt. Sie kriegen zu hören, daß Berlin über prozentual ungeheuer viel Grün- und Wasserflächen verfügen würde.
Diese Touristen drücken sich vor dem Eintrittsgeld, das am 'Kotti‘ zu zahlen ist. Dessen Erhebung ist in jedem Fall legitim, auch gegenüber Nicht-36er Berlinern; kommt man doch nach Kreuzberg, um die Genossen der Kassierer und diese selbst zu besichtigen.
Den Schlafsack unterm Arm, irren Billigreisende durch Kreuzberg. Ohne Einleitung (Laß uns doch erst mal kennenlernen) wird gefragt: „Kann ich mal bei dir pennen?“ Manchem bietet man eine Schlafstatt und hört sich interessiert Widerstandsneuigkeiten aus bayerischen Dörfern von Design studierenwollenden Punkrockern an.
Manche, die von irgendwem unsre Adresse gekriegt haben, kommen, setzen sich in die Küche und bleiben da sitzen. Eine Woche, zwei Wochen und erzählen, wenn ein Bewohner sich mit an den Tisch setzt, über Schopenhauer. Und sind irgendwann dann wieder fort, so Harald F.
Heinz D. wird ständig von irgendwelchen unbekannten Kollegen besucht. „Die wolln sich natürlich ständig prügeln. Da war'n wir aufm Heini. N paar, bestimmt auch Wessis, hatten Barrikaden gebaut. Dann kam'n Bullen und gleich ging's los. 'Bullen, verpißt euch aus Kreuzberg. Is unser Kreuzberg.‘ Sind aber nett alle.“
Beim ersten Berlinbesuch übernachtet man zumeist in einem der zehn Jugendgästehäuser. - Die meisten 'Berliner‘ werden sich noch daran erinnern. Klassenfahrt in der zwölften oder neunten. Dort wohnen ausschließlich Gruppen, vor allem Schulklassen. Vom Bund subventioniert sind solche Berlintrips sicher die billigsten: Fünf Tage und Programm kosten um die hundert 'Eier‘, die der Papa zahlt; wer arm ist und das beweisen kann, zahlt wenig bis nichts.
Die zwei Jugendherbergen, Hermsdorfer Damm 48 und Pücklerstraße 54 sind im Sommer fast immer ausgebucht. Es empfiehlt sich, sich vorher darum zu kümmern. Ist man unter 25, kostet's 16,40DM und Frühstück, sonst 19,40DM.
Seit neuerem geht man oder frau in die Mitwohnzentrale oder organisiert das schon von Westdeutschland aus. Hinter zwölf angegebenen Nummern im Telefonbuch verbergen sich vier Mitwohnzentralen; die MWZ amKu'damm-Eck ist mit fünf Nummern - zwei sind doppelt, eine für die Frauen, am häufigsten vertreten. 20DM ist Standard, so der Außendienstchef, sechs bis 15 Leute werden am Tag vermittelt. meist Ku'damm-Nähe, aber auch Kreuzberg. Die Sybelstraße-MWZ hat gleiche Durchschnittspreise, ca. 200 Stammanbieter und kassiert zehn Prozent Provision pro Tag. In Kreuzberg in der Wienerstraße, auch Frauen-MWZ, kostet das Wohnen zwischen zehn und 50DM. Die Hälfte der Suchenden will nach Kreuzberg, die anderen verteilen sich.
In der MWZ-Ambiente (Grunewaldstraße 82, 1 Berlin 62) kostet's 15 bis 35DM, geöffnet hat sie von 17 bis 21 Uhr „Sprechen Sie nach diesem scheußlichen Piepton.“
Die MWZ Bundesallee 192 schließlich kann gestrichen werden
-„Kein Anschluß unter dieser Nummer.“
Detlef Kuhlbrodt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen