: Seh'n oder Nichtseh'n
■ III nach 9 – mit der Diskussion über Methadon endlich mal wieder auf dem Posten
Einiges gab es schon – im ersten Teil –, worüber man taktvoll die Seidenbluse des Schweigens breiten sollte: Die kurzatmige, wortkarge und trotzdem allzeit in sinnloses Lachen ausprustende Madam aus dem bayerischen Pfaffenhofen mit ihrem Versandhausgeschäft de luxe, in einer Edelkutsche vom beharrlich Katalog-blätternden Menge ausgequetscht. Gut' nacht.
Oder der masochistische Feministinnenspeichellecker und Frauenfüße-Küsser Wilfried Wieck, dessen servile, monomanische Mode-These von der gar alles bestimmenden Ursucht des Mannes nach der Droge Weib ein gerüttelt Maß an harschen Widerworten verdienen würde. Natürlich: Ihn hat man – in diesem Fall allerdings mit wirklich klugem Vorbedacht, denn auch bei Wieck ist Hopfen und Malz verloren – Frau Schüllers versierter Gesprächsführung anheimgegeben: „Da kommt jetzt irgendwo 'n Buch 'raus oder 'n Film über kalte Füße oder Männer“, informierte sie den in ärmellosem, bubi –blauem Wams erschienenen Therapeuten. Schön, daß Frau Schüller uns doch immer wieder mit ihren profunden Kenntnissen zu überraschen weiß.
Michael Geyers Gespräch mit dem langjährigen ARD –Nahostkorrespondenten und neuerdings Opernkomponisten Dieter Konzelmann war kurzweilig, aber leider viel zu kurz. Von diesem munter unterhaltenden, absonderlichen Schwaben aus der Stuttgarter Libanonstraße, durch die ich früher immer in die Schule ging, hätte ich heimwehkrankes, im Norden frierendes Ripp gern mehr gehört. Jaja, ich weiß, das Fernsehen ist nicht dazu da, persönlich motivierte Sentimentalitäten zu bedienen. Es ist aber – in seinen besten Stunden – unter anderem dazu da, öffentliche Diskussionen anzuzetteln, in denen kompetente Kontrahenten streiten können, nicht zugeschwafelt oder zurückgepfiffen von einem ängstlichen Moderator. Und von dieser seltenen Art – endlich mal wieder – war die Diskussion am Freitag über Methadon, von Michael Geyer zurückhaltend-klug geleitet.
Für oder gegen Methadon? Robert Newman, Arzt aus den USA, ist entschieden dafür, nach allen Erfahrungen mit Methadon –behandelten Süchtigen, denen es damit besser geht, die „wieder ein normales Leben führen können.“ Die Mutter eines Süchtigen, der sich nach abgebrochener Methadon-Behandlung umgebracht hat, ist derselben Meinung.
Ingo Warnke aber, Leiter der Drogen-Selbsthilfegruppe „Synanon“ und selbst „trocken“ süchtig, polemisiert entschieden gegen die Methadonpolitik, die das Suchtproblem nur juristisch lösen würde (“die positive Wirkung liegt nicht im Medikament, sondern darin, daß es erlaubt ist“), und außerdem den Ärzten die Möglichkeit gäbe, endlich auch an der Sucht zu verdienen. Warnke blieb konsequent bei seiner grundsätzlichen Kritik am Methadonprogramm und seinen Implikationen – sachkundig unterstützt aus dem Publikum: „Die Krankenkassen werden auf lange Sicht das billige Methadon finanzieren und keine teuren Therapieplätze mehr“.
Das ärztliche „Helfenwollen“ – vielleicht tatsächlich mit dem Hintergedanken des Verdienens – , die traurige Erfahrung der Mutter eines Süchtigen und die sucht-politisch begründete vehemente Methadon-Gegnerschaft – diese drei Positionen zu einer aggressiven, aber sachverständigen Diskussion zusammengebracht zu haben, ist nach Zeiten langen Darbens bei „III nach 9“ endlich mal wieder ein Glanzstück gewesen.
Sybille Simon-Zülch
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