PiPaPool-Party

■ „Pool-Party '88“ im Schloßparkbad: Fast mehr Mitwirkende als Zuschauer und holterdipolter organisiert. Lohnend: Nina Hagen, aber da kuckte wieder kein Schwein

Am Samstag konnte man noch dem Wetter die Schuld geben: Es war bewölkt und windig, absolut kein Badehosenwetter. Auf dem großen Gelände des Schloßparkbads traf man nur vereinzelt mal einen Zuschauer. Es schienen wirklich mehr Leute auf den drei Bühnen und in den etwa zwanzig Büdchen fürs Essen und Trinken zu stehen als davor.

Aber am Sonntag war ideales Badewetter, und trotzdem kamen nur wenig mehr - einige Bierverkäufer hatten ihre Stände schon gar nicht mehr aufgemacht. Wahrscheinlich wäre des Schwimmbad an diesem Tag voller gewesen, wenn es ganz normal geöffnet gewesen wäre, so war überall viel Platz zwischen den Badetüchern auf dem Rasen, ein-oder zweihundert Zuschauer standen auch vor den Bühnen.

Die Veranstalter hatten auf Quantiät gesetzt: etwa zwanzig sehr unterschiedliche Gruppen, von denen die meisten völlig unbekannt sind, und die Topacts „Nina Hagen“ und „The Sweet“, zu denen heute nicht gerade die Mengen stürmen. Ein gemischtes Open-Air Programm ohne den ganz großen Star findet offensichtlich kein Publikum. Michael Jackson oder Springsteen haben den kleineren Veranstaltern das Wasser abgegraben.

„Auch wenn nur so wenig gekommen sind, das ist noch kein Grund zum Feiern“ versprach sich die Sängerin der Gruppe „Amazone“ genau passend. Die angekündigten Gruppen traten auf, die Organisation war ziemlich holterdipolter, es gab keinerlei Ansagen, und man wußte auf der zweiten Bühne nicht, was auf der ersten passierte. Einige Auftritte waren von Herzen schlecht, etwa die Heavy Rock Gruppe „Topaz“ mit schmalbrüstigem Macho im Leopardenanzug, oder die Frankfurter Stimmungskanonen „Flatsch“, deren humoristischer Höhepunkt die Aufforderung ans Publikum war: „Ausziehen, sofort alles ausziehen!“

Wirklich witzig waren dagegen „Cliff Barnes and the Fear of Winning“, die ihre Mischung aus

Punk und Countrymusik vor fünfzig Leuten spielten, als wären sie Springsteen im Stadion, und ihr „Born in the USA“ war der endgültige Song über Ronald Reagan „Fucking in the White House!“

„The Sweet“ gab eine traurige Vorstellung: Der Sänger der Urbesetzung, Brian Connoly, versucht aus dem vergangenen Kult noch herauszupressen, was irgend möglich ist. Er ist ein alter Mann, der nichts Ordentliches gelernt hat und nun auf der Bühne seine Oldies herunterleiern muß. Seine Stimme hat keine Kraft mehr und wurde vom Tontechniker gnädig heruntergemischt. „Little Willy“ kündigte er selber als langweiliges Lied an, das nur zu ertragen sei, wenn alle mitgröhlten.

Ganz zuletzt bei Nina Hagen wurde es dann doch etwas voller. Sie hatte sogar eine angemessene

Vorgruppe: „Vitamin X“ aus Ghana und Jamaika spielte afrikanische Rhythmen und Reggae, und zum ersten Mal kam dabei ein wenig Partystimmung auf, mit Leuten, die vor der Bühne tanzten und herzlichem Beifall.

Nina Hagen war angezogen wie eine Mischung aus Pippi Langstrumpf und Walküre, und sie sang und brüllte, schnitt ihre Schnutten und zeigte ihre Beine, daß es eine wahre Freude war. Das Vaterunser wurde vertont zu „Gottrock“, aus „I'm a Believer“ von den Monkeys machte sie „Ich bin ein Berliner“ und bei dem Lied über ihre Hochzeit in Ibiza zerrte Nina auch noch ihren Punkgemahl mit auf die Bühne. Ninas schrille, verrückte und sehr unterhaltsame Bühnenshow war alleine schon das Eintrittsgeld wert, aber kaum einer hat gekuckt.

Willy Taub