„Ich koche nur mit Wasser“

■ Gespräch mit dem Schwimmer und Publizistik-Studenten Michael Groß (24)

taz: Herr Groß, werden Sie nach den Olympischen Spielen in Seoul ihre Karriere beenden?

Michael Groß: Das weiß ich doch jetzt noch nicht. Aber ich glaube nicht daran. Erstens macht mein Körper da nicht mit, denn der braucht mindestens zwei Jahre, bis er runtertrainiert ist. Zweitens bin ich jetzt zwölf Jahre im Schwimmgeschäft, da kann man nicht einfach von heute auf morgen Schluß machen. Ich brauche das zwar nicht wie andere eine Droge, aber Schwimmen macht mir derzeit noch viel Spaß.

Was bedeuten denn Gold und Weltrekord für Sie?

Weltrekord, also am schnellsten zu schwimmen, daß ist das Wichtigste für mich als Sportler.

Wie weit würden Sie gehen, um dieses Ziel zu erreichen? Zum Beispiel schon jetzt reichlich Sauerstoff tanken, wie es Ihr Kollege Reiner Henkel tut?

Das ist ja wirklich nur ein Gaudi. Das macht Gott und die Welt, außer mir natürlich. Ich koche nur mit Wasser, wie man sagt.

Sie fühlen sich nicht wie ein Sportroboter, der auf Erfolg getrimmt wird?

Nein. Wenn, dann trimme ich mich selbst.

Aber eine ganze Nation wird in ihrer Selbstachtung erzittern, wenn der „Albatros“ plötzlich keine Medaille holt.

Das belastet mich eigentlich nicht, selbst im alten Griechenland war es ja nicht viel anders. Ich habe etwas gegen das überzogene Nationalgefühl. Wenn die Sportler schlecht sind, ist ja nicht gleich die ganze Nation schlecht, und wenn sie gewinnen, wird sie auch nicht besser. Medaillen haben keinen qualitativen Wert für eine Nation.

Durch die vom amerikanischen Fernsehen durchgesetzten frühen Anfangszeiten in Seoul wird es ungemein viel schwerer, erfolgreich zu sein.

Okay, das ist zwar nicht das Nonplusultra, aber die Bedingungen sind ja für alle gleich. Wir Sportler können das nicht ändern.

Aber ist es nicht langsam an der Zeit, daß Sportler sich gegen die zunehmende Kommerzialisierung organisieren? Die Autorennfahrer machen es Ihnen ja vor.

Lebensbedrohliche Ausmaße wie bei den Formel 1-Rennfahrern hat das noch nicht angenommen, aber wenn die Organisatoren uns zum Beispiel Haie ins Schwimmbecken schmeißen, dann werden auch wir Schwimmer uns zu wehren wissen.

Wie ist denn Ihre Reaktion, wenn es für die Leute in Seoul lebensbedrohlich wird, bei Demonstrationen etc.?

Zunächst, die Masse der Demonstranten ist friedfertig wie hier auch. Die müssen darunter leiden, wenn fünf Prozent Randale machen. Das macht den ganzen Aufstand, sprich: Sicherheitsvorkehrungen, notwendig. Spätestens seit 1972, den Spielen in München, besteht immer die Gefahr, daß politische Gruppen die Olympischen Spiele instrumentalisieren. Eine solche Unart kann man natürlich nicht zulassen.

Wo Sie starten, ist Ihnen egal?

Wegbleiben bringt gar nichts. Beste Beispiele sind die Boykotts 1980 in Moskau und 1984 in Los Angeles. Dieser ganze Kram bringt überhaupt nichts. Protest kann und soll dort artikuliert werden, wo man antritt. In Südkorea ist das aber jetzt nicht mehr nötig.

Sind Sie eigentlich durch Schwimmen reich geworden?

Nee. Doch. Reich an Erfahrung. Bestimmt nicht reich an materiellen Werten.

Das gleichen Sie dann durch Werbeverträge aus?

Habe ich, klar. Aber bestimmt habe ich 90 Prozent der Angebote ausgeschlagen, denn ich selektiere da ganz genau.

Von welchen Kriterien lassen Sie sich denn leiten?

Ich muß mich mit dem Produkt identifizieren können, das heißt, es auch selbst benutzen. Ich würde nie für etwas Werbung machen, was mir nicht schmeckt, oder was ich mir nicht anziehen würde. Ich bevorzuge regionale Werbepartner, z.B. die Sparkasse, bei der bin ich quasi seit meiner Geburt.

Was machen Sie denn außer Schwimmen und Uni?

Derzeit nichts. Ich habe eine 60-Stundenwoche zu bewältigen, das reicht eigentlich.

Und was macht der „Albatros“ nach der Uni?

Abheben bestimmt nicht. Irgend etwas mit Kommunikation, der gesamte Medienbereich reizt mich schon. Nach der Olympiade mache ich mir darüber mehr Gedanken.

Interview: Torsten Haselbauer