: Im Spielbanksumpf vereint
■ Hannovers Koalitionäre CDU und FDP blasen zum Entlastungsangriff /Von Jürgen Voges
Jede Seite droht mit neuen Enthüllungen, keine will sie vorzeitig preisgeben. Laszlo von Rath, Hauptbelastungszeuge in der niedersächsischen Spielbankaffäre und ehemaliger CDU -Wahlkampfberater, will neue Dokumente ausgegraben haben, sie aber erst morgen dem Untersuchungsausschuß vorlegen. Und die CDU behauptet in ihren Archiven fündig geworden zu sein. Ministerpräsident Albrecht wird mit dem Entlastungsmaterial am Freitag vor dem Ausschuß herausrücken müssen.
Die achtzig Karten für den Raum im Nebengebäude des niedersächsischen Landtages sind schon seit Tagen vergeben. Morgen und übermorgen wird dort Laszlo Maria von Rath und am Freitag Ernst Albrecht vom Spielbankausschuß vernommen. Von Rath, ehemaliger Wahlkampfmanager der CDU und heute Hauptbelastungszeuge gegen seine alte Partei, weilt schon seit Sonntag in der Bundesrepublik. Während am Sonntag morgen auf dem Flughafen Frankfurt noch ein Pulk von Journalisten auf die Ankunft des Immobilienhändlers aus Florida wartete, war von Rath längst in Hannover gelandet und hatte sich in ein Studio des niedersächsischen Privatradios FFN begeben. Dort verkündete er dann öffentlich über den Äther, daß „ich mich vor meiner Vernehmung nicht mehr öffentlich äußern werde“, fügte aber dann doch hinzu, er habe Kopien von Dokumenten mitgebracht, die seine bisherigen Aussagen ergänzen. „Die Wahrheit kann man zwar unterdrücken, aber die Lüge nicht ewig aufrechterhalten“, drohte der ehemalige Werbemann dunkel seinen einstigen Freunden.
Die haben seit Wochen einen Trupp von Rechercheuren im Einsatz, um sich auf die Vernehmung von Raths vorzubereiten, von der vor allem das politische Schicksal des Landesvorsitzenden Wilfried Hasselmann abhängt. CDU -Landesgeschäftsführer Hartwig kündigte schon vor einem Monat an, zur Vernehmung von Raths eine Dokumentation vorzulegen, mit der er dessen Aussagen „als Lügen“ entlarven wollte. Doch auch, als CDU-Generalsekretär Fischer vor acht Tagen die Ergebnisse dem Landesvorstand präsentierte, blieb die Stimmung weiterhin „sehr mies“, wie sich ein Vorstandsmitglied ausdrückte.
Kompromittierender Brief
Von Rath hat gegen die CDU hauptsächlich zwei Vorwürfe erhoben, von denen aber nur einer im Zusammenhang mit der Spielbankaffäre und damit dem Auftrag des Untersuchungsauschusses steht. Zum einen hat Rath nach eigenen Angaben als Vertreter der CDU mit der Spielbankbewerbergruppe um den Gastronomen Rudolf Kalweit einen Beteiligungsvertrag angeschlossen, der den Christdemokraten 25 Prozent des Gewinns und 50 Prozent der Stimmrechte in der geplanten Spielbank sichern sollte. Dabei habe er im Auftrag von Hasselmann und mit Billigung von Albrecht gehandelt.
Zum anderen will von Rath dem damaligen FDP-Ministerialrat Reinhard Brennecke (wiederum im Auftrag von Hasselmann) 1976 eine Beförderung dafür versprochen haben, daß er eine für die Wahl Albrechts notwendige Stimme eines FDP-Überläufers vermittelte. Die mysteriösen Umstände der Albrecht-Wahl gehören natürlich nicht zum Untersuchungsauftrag des Ausschusses, und die CDU/FDP-Mehrheit in diesem Gremium könnte Fragen an von Rath zu diesen Thema verhindern.
Im Zusammenhang mit der Spielbankbeteiligung der CDU dagegen sind zahlreiche Fakten mittlerweile unumstritten. Der Vertrag, mit dem von Rath sich im Februar 1971 an der Spielbankgruppe Kalweit beteilgte (die letztlich doch nicht die Lizenz erhielt), liegt dem Untersuchungsausschuß vor. Daß von Rath der Gruppe Kalweit gegenüber die Zustimmung der CDU zum niedersächsischen Spielbankgesetz vom Abschluß dieses Vertrages abhängig machte, bestreitet auch Hasselmann nicht. Herr Rath müsse nach 1970 bei der Gruppe Kalweit den Eindruck erweckt haben, „ohne ihn sei die CDU-Mehrheit nicht zu bekommen“, sagte Hasselmann vor dem Spielbankauschuß. Nur sei dieser Eindruck eben unzutreffend gewesen.
In der Vernehmung gab der CDU-Landesvorsitzende auch zu, daß eine Spielbankbeteiligung seiner Partei zumindest im Gespräch war. „An den Vorschlag von Herrn von Rath, die CDU könne sich doch an einer Spielbank beteiligen, erinnere ich mich“, sagte Hasselmann, er habe jedoch auf diesen Vorschlag mit „nein“ geantwortet.
Nach der Hasselmann'schen Version der CDU-Spielbank -Beteiligung war von Rath sozusagen ein Hochstapler, als er sich gegenüber der Spielbankgruppe als CDU-Vertreter ausgab. Dagegen sprechen nicht nur die bis in die achtziger Jahre reichenden engen privaten Kontakte zu Hasselmann, Albrecht und dem damaligen CDU Generalsekretär Dieter Haaßengier, die der Exwahlkampfmanager durch zahlreiche Briefe belegen kann. Vor allem quält die CDU ein kompromittierender Brief: Dem Ausschuß liegt nämlich ein Schreiben Hasselmanns an Rudolf Kalweit aus dem Jahre 1969 vor, in dem der Konzessionsbewerber gebeten wird, mit von Rath „ein diffiziles Problem, das unsere Partei in Niedersachsen beschäftigt“, zu erörtern. Für Kalweit war Rath damit legitimiert, im Namen der CDU mit der Spielbankgruppe zu verhandeln.
Auch Hasselmann hat in seiner Vernehmung nicht bestritten, den Brief geschrieben zu haben (wie es die 'FAZ‘ ihm gestern in den Mund legte). Er habe den Brief geschrieben, um über von Rath mehr über die Beziehungen der Kalweit-Gruppe zu erfahren, erklärte Hasselmann: „Ich wollte wissen: Was will die Gruppe, was steckt dahinter, und was will die SPD damit?“ Nach dieser Interpretation war der Brief eine Art Spionageauftrag, bei dem allerdings der Spion (von Rath) ein Legitimationsschreiben von höchster Stelle mitbekam, bevor er sich ins feindliche SPD-beherrschte Lager der Gruppe Kalweit begab.
Neben diesem Hasselmann-Brief sind noch zwei Treffen zwischen dem damaligen CDU-Generalsekretär Haaßengier und Vertretern der Gruppe Kalweit belegt, die Rath arrangiert hat.
Bei der Suche der CDU-Rechercheure nach Entlastungsmaterial stand der Hasselmann-Brief im Mittelpunkt. Man habe die Archive der Partei durchforstet und sei dabei fündig geworden, behauptet inzwischen der heutige CDU -Generalsekretär Hartwig Fischer. Mit alten Orginaldokumenten will die CDU während der Rath-Vernehmung aufwarten und eine ganz andere Interpretation des besagten Briefes anbieten.
Ungenaue Erinnerung
Auf der Suche nach Widersprüchen in den von Rathschen Aussagen, die ihre Dokumentation gegen die „linke Kampfpresse“ füllen könnten, ist die CDU seit langen. Von Rath hatte solche Widersprüche von vornherein dadurch vermeiden wollen, daß er vor jedem Gespräch mit der Presse eine notariell beglaubigte Erklärung verlangte, in der sich der Interviewer verpflichten mußte, nur von ihm autorisierte Äußerungen zu Veröffentlichen. Dennoch finden sich in einzelnen seiner öffentlichen Äußerungen Widersprüche, was die Datierung von Ereignissen angeht. Dies betrifft vor allem das Gespräch zwischen Albrecht, Hasselmann, Haaßengier und von Rath im hannoverschen Restaurant Luisenhof, bei dem auch der spätere Ministerpräsindent - wenn auch mit Bauchschmerzen - der CDU-Spielbank-Beteiligung zugestimmt haben soll. Nach mehreren unterschiedlichen Angaben über den Zeitpunkt dieses Gespräches mußte von Rath schließlich zugeben, sich daran nach nunmehr 20 Jahren nicht mehr genau erinnern zu können.
Dieses Gespräch ist bisher der einzige Anhaltspunkt dafür, daß auch Ernst Albrecht, damals noch junger Landtagsabgeordneter, in die Spielbankaffäre verwickelt ist. In einer Klage, die der Ministerpräsident gegen von Rath angestrengt hat, bestreitet Albrecht nur, an dem Gespräch im Hotel Luisenhof teilgenommen zu haben. Die Frage der CDU -Spielbank-Beteiligung selbst wird in dem Albrechtschen Schriftsatz ausgeklammert, Hasselmann bekommt keine Schützenhilfe.
Morgen vor dem Ausschuß werden auch die Motive des Kronzeugen Laszlo Maria von Rath auf dem Prüfstand stehen. Der heute staatenlose Exil-Ungar ist ein ausgewiesener Rechter. Er ist gerade durch seine Beziehungen zur CDU vom angestellten Werbekaufmann zum erfolgreichen PR-Unternehmer aufgestiegen. Er betreute nach eigenen Angaben schon 1967 Ludwig Erhard und Franz-Josef Strauß im Bundestagswahlkampf, wurde 1976 Mitglied im „Freundeskreis der Dr. Ludwig-Erhard -Stiftung“ und war auch nach seiner Übersiedlung nach Florida in Komitees aktiv, die auf Reagans Linie lagen.
Von Rath hat bisher immer seine Seriosität betont. Spenden für die niedersäcsische CDU will er nur auf legalem Wege gesammelt haben. Die Unternehmen, die damals gespendet haben, will er heute noch nicht nennen. Vielleicht ist der rührige 68jährige tatsächlich nur sauer, daß Wilfried Hasselmann die dubiose CDU-Spielbankbeteiligung auf ihm hängen lassen will.
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