piwik no script img

Leer: Rathaus besetzt

■ Konkursverwalter will Jansen-Werft stückweise verscherbeln / Werftarbeiter weihten den Arbeitsamt-Neubau ein und berieten im Rathaus, wie es weitergehen soll

Sie sind in ganz Ostfriesland und auch im Emsland „geparkt“

-als Umschüler. Aber wenn es gilt, ihre Werft vor dem Hammer des Auktionators zu bewahren, dann sind sie alle da. Obwohl es schon länger als ein Jahr her ist, daß ihre Jansen -Werft in Konkurs ging. Gestern weihten sie das Leeraner Arbeitsamt ein, auf ihre Art, und besetzten anschließend für kurze Zeit die Kreisverwaltung. Schließlich ließen sie sich im Rathaus nieder, für eine längere Diskussion, die bei Redaktionsschluß noch andauerte.

Die Werftarbeiter waren dahinter gekommen, daß Konkursverwalter Richard Schulze Materialien und Werkzeuge der Werft verkauft hatte. Alarmiert hat sie das, weil sie demnächst auf ihrer Werft wieder arbeiten wollen. Wenn ihre Umschulungskurse vorbei sind und das Geld vom Ar

beitsamt nicht mehr kommt, dann soll eine Auffanggesellschaft gegründet sein, getragen vom Land Niedersachsen, dem Kreis und der Stadt Leer. Diese Gesellschaft wird die Werft dann wieder zum Leben erwecken, hoffen die Arbeiter. Mit etwas Schiffbau und mit vielen anderen Produkten, die zum Beispiel dem Umweltschutz dienen sollen. Ob diese Träume wahr werden, wissen die Werftarbeiter nicht. Aber: Sie können nicht wahr werden, wenn der Konkursverwalter den Betrieb jetzt stückweise verkauft oder letzten Endes gänzlich unter den Hammer bringt.

Nach einer kurzen Betriebsversammlung zogen die Schiffbauer gestern vormittag zum Arbeitsamt. Das wird gerade baulich erweitert. Mit 15 Millionen Mark ist das wichtigste Amt in der ostfriesischen Metropole zu

gleich auch die größte Baustelle und eine marktstabilisierende Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Mit ironischen Reden und einem „Teufelsgeiger“ nahmen die Werftarbeiter die offizielle Einweihung des Erweiterungsbaus vorweg. Das Arbeitsamt sei noch immer zu klein, fanden sie, und legten gleich den Grundstein für den „Erweiterungsbau des Erweiterungsbaus“.

Im Sitzungssaal des Rathauses saßen gestern am späten Nachmittag noch knapp 200 Schiffbauer und diskutierten unter Zuhilfenahme des - ziemlich schweigsamen - Bürgermeisters. Was können sie tun, um den Ausverkauf der Werft zu stoppen? Das Tor besetzen? Oder gleich die ganze Werft? „Sehr weitgehende Vorstellungen“, fand Stadtdirektor Andreas Scheder. Die Konsequenz solcher Aktionen wäre,

daß die Schiffbauer Ärger mit der Behörde bekommen, die sie gestern noch erweitert sehen wollten: dem Arbeitsamt. Das hatte schon vor den gestrigen Versammlungen die Umschüler gemahnt: Sie dürfen nicht einfach zum Demonstrieren freinehmen, weil sonst das Bildungsziel gefährdet sei. „Das Arbeitsamt legt großen Wert darauf, daß die durch die Teilnahme ausgefallenen Stunden nachgeholt werden“, heißt es in einem Brief.

Am kommenden Freitag treffen Betriebsrat und Gewerkschaft im niedersächsischen Wirtschaftsministerium auf die Gegenseite: Die (staatliche) Norddeutsche Landesbank, Hauptgläubigerin der Jansen-Werft und deswegen Auftraggeberin des Konkursverwalters. Sie soll Richard Schulze Zügel anlegen.

mw

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen