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P A U L G U R K

■ B E H Ö R D E N

Man quatscht - wie der Berliner sagt. Jetzt habe ich gut reden. Wenn ich nur früher nicht so schnelles Blut und so hurtige Pläne gehabt hätte! Über die Trottelhaftigkeit der damaligen Zeit hinweggesprungen wäre! Dann wäre ich auch nicht Strousberg. Damals also war der Staat noch gar nicht so für Eisenbahnen. Die Regierung läßt sich Pläne vorlegen, prüft, zögert, will kein Risiko, aber Gewinn. So waren es die Engländer, die die Bahn Tilsit-Insterburg bauen wollten und nachher die ostpreußische Südbahn. Um die Konzession zu erhalten, dazu ist immer nur die Regierung da, da suchten sie nach einem geschickten Vermittler. Das war ich, der Doktor Strousberg. Die Engländer kannten mich. So fing es an. Denn ich war Strousberg und brachte eine neue Art auf, große Unternehmungen, für die die Zeit anfing reif zu werden, schneller und billiger auszuführen, als das der Staat machen konnte, auch billiger, als es der private Unternehmer bisher gemacht hatte. Die privaten Unternehmer waren in Deutschland und auch in anderen Ländern rückständig...

Man nannte das damals die General-Entreprise, also: Ein Unternehmer hatte das ganze Geschäft in der Hand, auf seine alleinige Verantwortung, also wie ich den Bau einer Eisenbahnlinie oder mehrerer Linien.

-Was hatte das für Vorteile?

Nun - es wurde nichts verzettelt. Die Behörde beteiligt stets eine ganze Reihe von Dienststellen. Einer kontrolliert den anderen und einer hemmt den anderen. Da überdies - nach Jahren - eine Nachkontrolle durch eine Behörde erfolgt, die gar nichts von der Sache versteht, sondern nur nachrechnet, so traut sich niemand, eine volle Verantwortung zu übernehmen. Einer bestellt Schienen, einer Steine, einer Kies, einer Fuhrwerk. Jede Bahnlinie hat ein besonderes Baubüro, ein Rechnungsbüro und so fort. Ich aber machte alles als Kopf allein. Ich mußte auch allein das Geld beschaffen, was doch schließlich überall auf der Welt die Hauptsache ist! Der Staat übernimmt nachher die fertige Sache oder, wenn er niederträchtig ist, meist ist er es, beschlagnahmt er sie aufgrund eines Gesetzes, das er dazu erst macht...

Ein Blick auf die fruchtbare Auseinandersetzung mit den Behörden. Bethel Heinrich Strousberg kam 1846 nach Berlin und stieg von hier aus in den sechziger Jahren des 19.Jahrhunderts zum Eisenbahnkönig und reichstem Mann Deutschlands auf. Mitgeteilt in einer 1959 erschienenen Erzählung von Paul Gurk. Ausgewählt von

Michael Trabitzsch

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