Vergeistigter Senat

■ Die Verquickung von Kultur und Religion

Rationalismus, Aufklärung und Humanismus sah der SPD -Abgeordnete Maerz in Berlin bedroht, als er erfuhr, daß gleich drei Senatsverwaltungen (Kulturelle Angelegenheiten'Gesundheit und Soziales, Wirtschaft und Arbeit) die Veranstaltung „Bewußt Sein 88“ mit knapp 117.000 Mark kräftig unterstützt haben. Mit Grausen mußte er feststellen, daß Vertreter von so“ destruktiven Jugendreligionen“ wie Bhagwans Jünger und ähnlichen Jugendlichen an der Veranstaltung teilgenommen hatten. Schließlich stünde es „Berlin als Kulturstadt Europas“ nicht an, „pseudoreligiöse Psychokulte, Scharlatane und Geschäftemacher zu fördern.

In der Beantwortung der Anfrage des Herrn Abgeordneten zeigte Frau Laurien sich indes durchaus erleuchtet. Denn fachlich zuständige Senatsverwaltungen hatten den Kongreß als durchaus förderungswürdig beurteilt. Zudem habe „Bewußt Sein 88“ die Zielsetzung verfolgt, einen umfassenden Überblick über das Spektrum alternativer philosophischer Denkmodelle zu vermitteln.“ Und außerdem, was hieße hier schon „Jugendreligion“? Denn auch die DGB-Jugend, Amnesty International und Greenpeace hätten teilgenommen. Und die seien ja nun gar nicht spirituell. Und was die Jugend angehe, die durch Gurus verführt werden könnte, so habe die Anwesenheit von Robert Jungk und Karl-Heinz Böhm dem Ganzen doch einen durchaus seriösen Charakter verliehen. Da könne man die einzelnen Bhagwan-Anhänger durchaus verkraften. Dennoch werde der Senat ein äußerst wachsames Auge auf die Aktivitäten der Psychokulturen haben. Immerhin gibt es eine Reihe von Veranstaltungen anläßlich des Kulturstadtjahres, die keineswegs den Eindruck erwecken, Berlin sei ein spirituelles Zentrum und das Abgeordnetenhaus die Tarnorganisation eines esoterischen Zirkels.

Oder doch? Frau Laurien, die so weise auf die Frage des Abgeordneten antwortete, verschwieg allerdings, daß sich Kultursenator Hassemer am kommenden Sonntag, den 21. August höchstselbst auf der Kanzel der Charlottenburger Luisenkirche dem Verhältnis von Künstlern, Forschern und Heiligen zur Kirche widmen wird. Seine Predigtthese ist, „daß Heilige heilsame Provokateure waren, die in konflikthaften Situationen einer verkrusteten Kirche und Gesellschaft halfen, die humane Dimension des Glaubens zum eigenen Nutzen neu zu entdecken.“ Vielleicht sollte sich der so ängstlich um die Rationalität besorgte Herr Abgeordnete Hassemers Predigt anhören, um die wahre Antwort auf seine Frage zu erhalten.

taz