: Unfall beim Schwertransport
■ Frauen zum Möbelschleppen abkommandiert
Seit dem 12.5.88 bin ich in der Vollzugsanstalt Offenburg Außenstelle Biehl zu Gast. Ab 20.5.88 durfte ich arbeiten (ich spreche deshalb von durfte, da ich in U-Haft bin und keinerlei eigene Geldmittel habe). Ich wurde in der Waschküche eingesetzt. Die Arbeit machte mir auch sehr viel Freude, zumal ich einen großen Bewegungsfreiraum hatte. Daran, daß man auch mal schwere Lasten (Waschkörbe) schleppen mußte, konnte man sich gewöhnen bei einem Stundenlohn von 1,05 DM. Das ist hier ein Spitzenverdienst. Auch, daß man bei einer notwendigen Abwesenheit, zum Beispiel um den Anstaltsarzt zu konsultieren, dies vom Lohn abgezogen bekommt, obwohl wir hier keinerlei Möglichkeiten haben, außerhalb der Arbeitszeit den Arzt oder Sozialarbeiter zu sprechen, wollen wir nicht sprechen.
Am Donnerstag, den 14.7. wurde ich mit vier anderen Insassinnen der JVA durch den stellvertretenden Anstaltsleiter genötigt, unter Androhung des Arbeitsentzuges, falls wir uns weiterhin weigern sollten, 13 zusammengebaute Kleiderspinde ins dritte Obergeschoß zu schleppen. Da noch zwei andere Frauen wie ich auf den Lohn angewiesen sind, konnten wir es uns nicht leisten, die Arbeit zu verweigern. Da alle für diese Arbeit abgerufenen Frauen keine Erfahrung als Möbelpacker hatten, kam es, wie vorauszusehen war, zu einem Unfall. Auf der Treppe konnten die zwei vorderen Frauen den schweren und für unkundige schwer zu transportierenden Schrank nicht mehr halten. Dadurch wurde meine linke Hand zwischen einem Eisenfuß und einem Stahltürrahmen eingeklemmt. Dadurch hatte ich mir Gott sei Dank „nur“ einen Bluterguß auf dem Handrücken eingehandelt. Großzügigerweise durfte ich dann am Nachmittag auf der Zelle bleiben. Am nächsten Tag sollte ich wieder arbeiten. Da das mit dieser Hand immer noch nicht möglich war, schaute man mich sehr böse an und hat mich kurzfristig abgelöst und mich somit auch noch für meine Verletzung, die ich mir bei dieser Zwangsarbeit zugezogen habe, bestraft.
Ich bin zum ersten Mal im Gefängnis und mit so etwas konfrontiert. Ich bin entsetzt, was man gerade mit den zum Teil sehr unwissenden Frauen alles machen kann.
S.L.
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