: Die harten Fakten des Herrn von Rath
Vor dem Untersuchungsausschuß des niedersächsischen Landtags stand Herr von Rath Rede und Antwort / Wann hat Laszlo Maria von Rath Abitur gemacht? / Neue Unterlagen vorgelegt ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Eine Bombe stecke in den Unterlagen nicht, die er mitgebracht habe, erklärte der 66jährige Kronzeuge Laszlo Maria von Rath schon, als ihn auf dem Weg zum Untersuchungsausschuß die Reporter bedrängten und die Fotografen umringten. Doch drinnen hielt der schmächtige ältere Herr, ruhig allen bohrenden Fragen der CDU -Ausschußmitglieder stand und hatte auch für alle vermeintlichen Widersprüche in seinen bisherigen Statements der Presse gegenüber eine Erklärung parat.
„Der Tisch stand in Nord-Süd-Richtung, rechts saß Herr Albrecht, gegenüber Herr Hasselmann und links Herr Haaßengier“, beschrieb von Rath die Sitzordnung bei dem entscheidenden Gespräch im Hotel Luisenhof, bei dem die CDU -Führung einer Beteiligung an der Spielbankgruppe Kalweit ihr endgültiges Placet gegeben hat. Jemand, der jahrzehntelang sein Geld mit Plakatwerbung verdient habe, brauche schon aus beruflichen Gründen ein fotografisches Gedächtnis, erläuterte von Rath diese genaue Angabe. Auch dafür, daß er für dieses Gespräch in der Öffentlichkeit schon verschiedene Daten nannte, hatte von Rath eine plausible Erklärung. Die schriftlichen Unterlagen, mit denen sich der Zeitpunkt des Gespräches zeitlich eingrenzen ließ, habe er in den siebziger Jahren vernichtet. Er habe sich eigentlich nur erinnern können, daß dieses Essen zur Messezeit stattgefunden haben müsse.
Heute liegen von Rath dieses Unterlagen wieder vor. Einmal der Brief von Hasselmann vom April 1969 an den Spielbankbewerber Rudolf Kalweit, in dem Hasselmann von einen diffizilen Problem spricht, über das von Rath verhandeln solle. Diesen Brief, so sagte von Rath aus, habe nicht er, sondern Rudolf Kalweit über den damaligen CDU -Generalsekretär Haaßengier als „Legitimationsschreiben“ angefordert. Als der CDU-Abgeordnete Gebhard Müller von einem linguistischen Gutachten spricht, das zwar noch nicht fertig sei, das aber beweisen solle, daß von Rath dieses Schreiben selbst verfaßt habe, ist der Zeuge bereit, alte eigene Schriftstücke als Vergleichsmaterial für die „wissenschaftliche Untersuchung“ zur Verfügung zu stellen.
Auch die Rechtsgültigkeit des Vertrages zweifeln die CDU -Ausschußmitglieder an, mit dem von Rath und damit der CDU im Jahre 1971 25 Prozent des Gewinnes und 50 Prozent der Stimmrechte der Spielbankgruppe Kalweit abgetreten wurde. Er sei selbst Jurist, antwortet von Rath, und habe den Vertrag mit dem Mitglied der Kalweit Gruppe Otto Welsch abgeschlossen, und der sei damit haftbar gewesen.
Über den Hasselmann-Brief und den Vertrag kann von Rath heute auch das Treffen im Luisenhof datieren. Er sei jetzt überzeugt, daß dieses Essen zur Messezeit des Jahres 1970 stattgefunden haben müsse, sagt er. Ernst Albrecht sei damals designierter Wirtschaftsminister gewesen. Wenn er ihn früher als Schatzmeister bezeichnet habe, dann deswegen, weil Albrecht damals „in der Bötcherstraße“, wo er beim CDU -Landesverband ein- und ausgegangen sei, schon als zukünftiger Schatzmeister gehandelt worden sei.
Von Rath bestätigte auch die beiden Treffen zwischen dem CDU-Generalsekretär Dieter Haaßengier und Vertretern der Gruppe Kalweit. Beim ersten Treffen habe Haaßengier das grundsätzliche Interesse an einem Spielbankgesetz signalisiert. Danach hätten seine Verhandlungen mit der Kalweit-Gruppe begonnen. Beim zweiten Treffen habe Haaßengier verlangt, daß der Name Rath in der Spielbankgruppe nicht offen auftauche, deshalb sei später eine Unterbeteiligung vereinbart worden. Auch den langen Zeitraum, über den sich die Verhandlungen hinstreckten, konnte der Zeuge erklären.
„Ich war in einer Zwickmühle“, sagte er, er habe den Vertrag nicht abschließen dürfen, bevor Haaßengier die Stimmen für das Gesetz in der CDU zusammen hatte, aber auch nicht viel später danach, um seine Position gegenüber Kalweit nicht zu schwächen. Als Haaßengier dann soweit gewesen sei, wäre alles ruckzuck gegangen.
Wo war von Rath 1940?
Vor allem der Beginn der Vernehmung zeigte, wie tief und ergebnislos, die CDU in Archiven gegraben hatte, um von Raths Vorleben zu durchleuchten. Da mußte sich der Zeuge die Frage gefallen lassen, wie er ab 1940 gleichzeitig Jura in Budapest und Landwirtschaft an einer 110 Kilometer entfernenten Akademie studieren konnte.
Von Rath antwortete: „Mit dem Schnellzug betrug die Fahrzeit von Budapest eineinhalb Stunden.“ Während die Christdemokraten bei anderen Zeugenvernehmungen strikt darauf geachtet hatten, daß keine Fragen gestellt wurden, die nicht den Untersuchungsauftrag betrafen, und die nichts mit der Spielbankaffäre zu tun hatten, wurde von Rath mit seiner Geburtsurkunde, seinem Taufschein und mit bei seiner einstigen Universität eingeholten Auskünften konfrontiert. „Haben Sie nun 1939 oder 1940 Abitur gemacht“, fragte etwa der CDU-Abgeordnete Hasselbacher.
Es ging um die Frage, warum weder in der Geburtsurkunde noch im Taufschein des staatenlosen Exil-Ungarn ein Adelstitel verzeichnet sei. Seine Eltern, so die Antwort von Raths, hätten 1919 nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie von dem Adelstitel, der der Familie im 17.Jahrhundert in Böhmen verliehen worden sei, keinen Gebrauch mehr gemacht, aber nie auf diesen verzichtet.
Als der Verterter der Grünen und auch die SPD-Mitglieder einen Zusammenhang dieser Fragen mit dem Untersuchungsauftrag nicht mehr gesehen haben, entschied die CDU/FDP-Mehrheit nach einer kurzen internen Beratung des Ausschusses, solche Fragen seien in Hinblick auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen zulässig. Später jedoch, als von Rath von sich aus im Zusammenhang mit der Wahl Ernst Albrechts zum Ministerpräsidenten auf den Vorwurf des Stimmenkaufs zu sprechen kommen wollte, interpretierten die Christdemokraten den Untersuchungsauftrag dann wieder eng. Dies betreffe nicht den Untersuchungsauftrag, intervenierte der CDU-Abgeordnete Gebhard Müller sofort.
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