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Dilemma Mandela

■ Südafrikas Regierung und Mandelas Krankheit

Nach vier Tagen meldete sich der Justizminister. Er sei „sehr besorgt“ über den Gesundheitszustand von Nelson Mandela, ließ Kobie Coetzee mitteilen. Mit menschlichem Mitgefühl hat diese Sorge wenig zu tun. Mandela hat Tuberkulose: eine Lungenkrankheit, die bei schlecht ernährten, eng zusammengepferchten und in unhygienischen Räumen lebenden Menschen grassiert. Die Zahl der TBC-Kranken ist wie die Rate der Kindersterblichkeit ein Indikator für das Ausmaß von Unterentwicklung und Vernachlässigung in Südafrikas ländlichen Gebieten. Mit ähnlicher Nachlässigkeit gehen Coetzees Gefängniswärter offenbar auch mit Mandela um.

Das südafrikanische Regime steht nun vor dem alten Dilemma: Ist es besser Mandela freizulassen oder nicht? Die jüngste Krankheit ruft in Erinnerung, daß auch der berühmteste Gefangene der Welt sterblich ist. Für die Regierung wäre es eine Katastrophe, wenn Mandela im Gefängnis sterben sollte. Landesweite Proteste wären die Folge. Ihn aber jetzt, schwer krank, noch schnell in die Freiheit abzuschieben, das würde zu sehr nach Panik und Kapitulation aussehen. Also muß Mandela geheilt werden.

Die Frage der Freilassung drängt sich dennoch auf. Sie muß, will die Regierung nicht eine wichtige Karte verspielen, Teil eines politischen Prozesses auf dem Weg zu Verhandlungen mit dem ANC sein. Und die Möglichkeit einer friedlichen Lösung in Südafrika ist zeitlich begrenzt: sie hängt ab von der Lebenserwartung Nelson Mandelas.

Hans Brandt

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