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No Jeans

■ Kleidervorschriften Ost

Die Kleidervorschriften des Sozialismus: Nachts um zwölf sind alle Hosen gleich, nicht jedoch in der Sinus-Bar des Palasthotels in Berlin/Ost. Felix Stenschke, der stellvertretende Sprecher der saarländischen Landesregierung und die vier ihn begleitenden Journalisten staunten nicht schlecht, als der kurzgeschorene Schrank vor dem Eingang, knapp 50, sich noch breiter machte. „Nicht in Jeans“, knurrte der Punk-Opa des Palast-Hotels mit drohendem Unerton. Doch nur einer der Fünfer-Bande hatte Jeans an.

Die 800-Betten-Burg in Ost-Berlin preisen die Vermarkter des realen Sozialismus gerne an. Selbst das Fernseh-Programm bietet ARD und den Privatsender SAT, dazu empfehlen wir einen Piccolo zu 15 DM. Komfort wie im Westen vom Besten, aber ohne Blue Jeans. Nichts war's. Der Eintritt wurde zunächst verwehrt.

Zwar tönten Sade-Musik und andere westliche, zersetzende Songs durch die schwüle Luft der Bar und die Preise konnten jeden kapitalistischen Preistreiber schamviolett werden lassen. Flott und locker servierte die gestylten Kellner Wein, Sekt und Shakes. DM-West wird gern akzeptiert. Nur ohne Blue Jeans.

Erst als Felix Stenschke seine Identität preisgab, wurde der Rausschmeißer plötzlich freundlicher. Ja, dann, wenn das so ist, (Oskar Lafontaine saß bereits in der Sinus-Bar), katzbuckelte er. Die Hose spielte keine Rolle mehr. „Sie verstehen schon, sie wissen ja, wir haben hier so viel Betrieb.“ Der Kleiderschrank schrumpfte zusammen, entschuldigte sich, bot gleich noch Plätze an. Nein Danke. Wir wechselten den Standort in eine andere Bar des Hotels, das Bier zu 5,50 Mark-West.

Felix Kurz

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