piwik no script img

Der große, absurde Bazar der Ideologien

Sie verkaufen Ansteckbuttons und ihre bisweilen bizarren Ideologien. Sie strecken den Teilnehmern des Parteitages Handzettel entgegen oder Mikrofone ins Gesicht. Sie stolzieren in buntem Putz durch die Hallen des Kongreßhotels; sie singen das Hohelied auf George Bush und das Vermächtnis der Reagan-Ära.

Willkommen zur Parteitagsindustrie von New Orleans, zum großen Bazar von Meinungen und Souvenirs, von Kitsch und Politik, von Eitelkeiten und plumpem Kommerz: ein Porzellanteller mit Ronnies Antlitz? Bitte sehr, ein Händler im Atrium des Hyatt-Hotels hat noch einige übrig. Ein kiloschwerer Elefant aus grauem Stein oder etwa die hölzerne Version, die ihre Jüngste an einer Strippe hinter sich herziehen kann? Kein Problem, selbstverständlich, die Kreditkarte akzeptieren wir. Aber Sie sollten Ihre Meinung auch auf der Stoßstange Ihres Autos spazierenfahren, also brauchen Sie noch einen Aufkleber „Push on Bush for President“ oder, auch über den November hinaus gültig, einen mit dem republikanischen Credo: „Es gibt Amerikaner und es gibt Liberale.“ Ihr Auto steht oft in der Garage? Dann tragen Sie Ihre Meinung doch auf der Brust oder dem Kopf, gehen Sie mit einer „Bush '88„-Kappe zum Baseball oder einem „Bush-Quayle„-Hemd zum Golf. Wir haben sogar Unterhosen mit einem kleinen blau-weiß-roten Elefanten drauf, damit in keiner Situation Zweifel an Ihrem politischen Standpunkt aufkommt.

Ob wir was? Kondome? Nein, also bitte, das wäre unmoralisch, schließlich predigen wir Enthaltsamkeit, und Sie wissen ja auch, was mit Gary Hart passiert ist. Überhaupt die Demokraten, wir haben einige hervorragende humoristische Antworten auf ihre absurden Vorwürfe aus Atlanta. Auf Ted Kennedy, der immer nur fragte, wo George gewesen sei, können wir nun per T-Shirt sagen: „Nüchtern und mit seiner Frau zu Hause!“

Und wo war Ted, als sein Auto eines Nachts samt Sekretärin von der Brücke in Chappaquiddick fiel? Chappaquiddick liegt in Massachusetts, oder wie wir es lieber nennen, Taxachusetts, seit Dukakis dort die Steuern erhöht hat. Das ist doch alles, was die Liberalen können, Steuern erhöhen und die Bürokratie immer weiter aufblähen.

Haben Sie Nancy gesehen am Montag? War sie nicht geradezu königlich? Ich verstehe nicht, warum George Bush nicht sie zur Kandidatin für die Vizepräsidentschaft gemacht hat. Sie hat Erfahrung im Weißen Haus, sie kann schwierige Entscheidungen fällen, ist im ganzen Land bekannt und wäre sicher bei Frauen populär. Sie wäre eine viel bessere Wahl gewesen als dieser Robert-Redford-Verschnitt, der sich offenbar vor dem Vietnamkrieg drücken konnte, weil sein reicher Vater die richtigen Beziehungen hatte.

Aber ich raube Ihre teure Zeit, werte Dame, Sie wollen sicher hinüber in die Halle zu den anderen Delegierten. Ein ordentliches Bild ist es, nicht wahr, saubere weiße Familienväter und -mütter in den Reihen, nicht so ein Durcheinander von Arm und Reich, Weiß, Braun und Schwarz, wie es bei den Demokraten gewesen ist. Versäumen Sie nicht den Stand der „American Freedom Corporation“ auf dem Weg zum Superdome, links an dem drei Meter großen Plastik-Rambo mit dem Reagan-Kopf vorbei, den wir von einem Karnevalswagen abmontiert haben. Dort werden Sie sicher das Oliver-North -Video kaufen wollen. Ihre 25-Dollar-Spende wird dazu beitragen, die Ausstrahlung des Videos im Fernsehen zu finanzieren, damit das amerikanische Volk die Wahrheit über diesen echten Patrioten erfährt.

Dann gibt es auch noch die „Young Americans for Freedom“ mit ganz ausgezeichneten Aufklebern für Ihr Auto: „Wenn sie Idi Amin mochten“, heißt es auf ihnen, „dann werden Sie Nelson Mandela lieben!“ Nehmen Sie einen mit für Ihre Tante! Oder falls Ihr Schwager ein Contra-Anhänger ist, gibt es noch einen anderen: „Unterstützt die Freiheitskämpfer! Jeder Commie, den sie killen, ist einer weniger, mit dem wir uns rumschlagen müssen!“ Gestern hat Sie jemand angehalten von den „Libertären Republikanern“, sagen Sie? Er habe sie zehn Minuten lang vollgequasselt über freie Märkte und freie Abtreibung? Man solle konsequent sein und staatliche Beschränkungen nicht nur für die Industrie, sondern auch für Marihuanabenutzer abbauen? Was soll man da noch sagen?

Genießen Sie noch ihre Tage in New Orleans! Ja bitte? Sie wollen mich interviewen? Wissen Sie, Ihr von den Medien tut mir leid. Eigentlich hätten die politischen Reporter doch zu Hause bleiben können, die Herausgeber hätten besser die Musik- und Restaurantkritiker geschickt, vielleicht noch einen Theaterredakteeu mit Erfahrung in Großveranstaltungen.

Sie wollen mich gar nicht interviewen? Sie wollen nur einen Bush-Quayle-Button? Selbstverständlich! Der kostet 100 Millionen Dollar. Zuviel? Wir haben den Preis etwas heraufgesetzt; wir wollen 1.500 Stück davon verkaufen, dann gibt es im nächsten Jahr kein Defizit im US-Haushalt mehr. Nein, tut mir leid, wir nehmen dafür nur Bargeld, keine Kreditkarten und keine Schecks bitte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen