piwik no script img

Bürgerliches Liberallala-betr.: "Plädoyer für Konkursrecht", taz vom 13.8.88

betr.: „Plädoyer für 'Konkursrecht'“, taz vom 13.8.88, Seite

Die „internationale Konkursordnung“ - ein Konkurs linker Analyse

(...) Wir bekommen ein glänzendes Beispiel vorgeführt, wie bürgerliches Liberallala sich um Organisationsweisen (hier: Konkursrecht) zu bemühen weiß, ohne die Inhalte dieser Organisationsweisen (hier: internationale Ausbeutung) ins Visier zunehmen. An einer Stelle verraten Nitsch und Malagardis aber ganz deutlich, daß es die Sorgen der internationalen Kapitalisten sind, die ihnen am Herzen liegen: Die von ihnen vorgeschlagenen Regelungen seien „vorteilhafter“ weil sie „größeren Nutzen bzw. das Nichtentstehen großer Kosten“ versprächen.

(...) Eine der Folgen der Industrialisierung in Westeuropa für die ArbeiterInnen war eine rücksichtslose Verlängerung der Arbeitstage bis zur letzten Konsequenz, der physischen Vernichtung der ArbeiterInnen in zum Teil 16-Stunden-Tagen. Doch auch die dümmsten Kapitalisten merkten, wie ihnen ihr Werkzeug, die ArbeiterInnenklasse, unter den Händen wegstarb.

Eine Beschränkung des Arbeitstages mußte her. Aber aufgrund der kapitalistischen Konkurrenz konnte kein Kapitalist einzeln einfach damit anfangen: Der Staat mußte unter anderem mit Fabrikgesetzgebungen eingreifen. Der Staat ging so gegen die subjektiven, kurzfristigen Interessen der einzelnen Kapitalisten vor - zugunsten der objektiven, langfristigen Interessen der Klasse der Kapitalisten. Hierher rührt auch die Formulierung vom Staat als dem „idellen Gesamtkapitalisten“. Und nun zur modernen Parallele:

Die ungeregelte Überausbeutung der „Dritten Welt“ verlangt nach einer internationalen Regelung, die den Kapitalisten ihre Sorgen, sprich: „großen Kosten“, in Gestalt von Putschen, Unruhen, Einmärschen, Bankenkrächen usw. nimmt. Kein kapitalistischer Staat kann jedoch anfangen mit der Schuldenstreichung und einer neuen Weltwirtschaftsordnung, weil das ja den subjektiven, kurzfristigen Interessen schadet. Eine internationale Behörde muß her, der sich alle „Vertragspartner“ - damit sind nach Nitsch/Malagardis wohl Ausbeuter und Ausgebeutete gleichermaßen gemeint unterwerfen.

Im Ergebnis wären die objektiven, langfristigen Interessen der kapitalistischen Staaten an einer geregelten und verläßlichen Methode der Ausbeutung gewahrt. Es gäbe keine kostenexplosiven Einmärsche in Drittweltländer mehr. Eine Schuldenkrise müßte sich nicht mehr in Inflation und Bankenkrächen ausdrücken. Wirtschaftsblockaden abhängiger Länder, die dem eigenen Prestige schaden, gehörten der Vergangenheit an. Ein linker Traum wird wahr in der internationalen kapitalistischen Idylle...

Es wäre den sozialen Bewegungen hier und den Entwicklungs und Schwellenländern dienlicher, gingen die versammelten Schuldenstrategen wie Nitsch und Malagardis zunächst bei einem gewissen Herrn Marx in die Schule, bevor sie sich in „alternativen“ Tageszeitungen über anderer Leute ökonomische Sorgen ausheulen.

Ralf Fischer, Marburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen