: Sterbehilfe-betr.: "Sterbehilfe aus der Gesundheitsbewegung", taz vom 13.8.88
betr.: „Sterbehilfe aus der Gesundheitsbewegung“,
taz vom 13.8.88
Der Artikel beweist erneut, daß die Linke sich nicht oder nur unzureichend mit dem heiklen Thema Sterbehilfe auseinandergesetzt hat. Unter dem Etikett der Technikfreundlichkeit und der (sicher auch berechtigten) Angst, irgendwann selbst in einem hoffnungslosen Zustand an den Schläuchen der Apparatemedizin zu hängen, finden die Vorschläge von Hackethal und Henning Atrott (Deutsche Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS)) auch in der Gesundheitsbewegung nach wie vor Zustimmung. Dies geschieht allerdings in der Regel völlig unkritisch, weil losgelöst von historischen Erfahrungen des Faschismus und aktuellen Argumenten, die sich gerade seit Beginn der achtziger Jahre verstärkt auf Kostendämpfungsargumente beziehen. Die von Tolmein erwähnte Debatte während des Gesundheitstages 1987 in Kassel wurde von den Resten der „Gesundheitsbewegung“ leider nicht fortgeführt.
Angesichts der nicht vorhandenen Diskussionskultur ist es so möglich, daß Frau Dr. Burmeister als Funktionärin der kritischen Kammerliste, Fraktion Gesundheit, gleichzeitig Vizepräsidentin der DGHS sein kann. Selbst als dies in 'Mabuse‘ Nr. 54 thematisiert wurde und man Frau Dr. Burmeister bzw. der Fraktion als Ganzes Möglichkeiten der Stellungnahme einräumte, wurde dies nicht genutzt. Die Fraktion Gesundheit sitzt aus Angst, daß Debatten die heterogene Gruppe sprengen könnten, die Sache in bester Art bürgerlicher Berufspolitiker aus.
Auch dem ersten alternativen Ärzte-Kammerpräsidenten fällt nicht mehr ein, als gegenüber der taz auf die hohe Mitgliederzahl der DGHS zu verweisen und Frau Dr. Burmeister eine Kontrollfunktion innerhalb der Sterbehilfeorganisation zuzuschreiben. Abgesehen davon, daß Masse noch nicht gleich Klasse ist (oder läßt Ellis Huber sein Argument auch für das Deutsche Ärzteblatt oder die 'Bild'-Zeitung gelten?), fragt man sich doch wirklich, wo Frau Dr. Burmeister (oder andere vernünftige MitgliederInnen der DGHS) waren, als Henning Atrott das „Rennen“ um den Tod von Daniela unter dem Getrommel eines üblen Medien-Spektakels knapp vor Julius Hackethal gewann?
Von einer kritischen Ärzteliste ist zu erwarten, daß sie sich zu wichtigen Fragen wie dem Thema Sterbehilfe äußert und dies nicht aus Machterhaltungsgründen in einer falsch verstandenen Liberalität dem einzelnen Mitglied überläßt. (...)
Josef Gäbler, Frankfurt
Daß die Mehrheitsgruppe in der West-Berliner Ärztekammer, die kritisch-alternative Fraktion Gesundheit bzw. ihre Funktionärin, Frau Dr. Hannelore Burmeister, zu dem Thema Sterbehilfe keine Stellung bezieht, verwundert nicht. Ohne Alternative und bei einem desolaten Zustand der konservativen Ärztegruppen konnte die Fraktion Gesundheit (FG) bei den letzten Kammerwahlen mit Allgemeinplätzen wie „Weniger Pillen - mehr Gespräche“, die jeder vernünftige Mensch unterschreiben kann, die Mehrheit gewinnen. Überall dort, wo es konkreter wird und auch die Interessen der verschiedenen Gruppen in der FG aufeinanderstoßen (Abrechnungsmodelle in der ambulanten Praxis, § 218 und nicht zuletzt bei Thema Sterbehilfe) wurden keine Aussagen getroffen.
Über ein Jahr nach der Amtsübernahme können die Ärztinnen und Ärzte aber nicht mehr bei der Position des „kritischen Minimalkonsenses“ stehen bleiben. Schlimm genug, daß das Mitglied der FG, Dr. Hannelore Burmeister, eine führende Funktion in dem Zyankalibeschafferverein, der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben des Henning Atrott hat. Wesentlich schlimmer aber ist, daß dies innerhalb der Fraktion Gesundheit (aus Gründen des Gruppenkonsenses und der Machterhaltung?) einfach ohne Diskussion hingenommen wird. (...)
Franziska Holz, Bad Vilbel
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