piwik no script img

Gericht rächt Vobo-Bericht

■ Landgericht Bad Kreuznach verurteilt Redakteur des 'Hunsrück Forum‘ wegen „Aufforderung zur Straftat“ / Das Blatt hatte über Volkszählungsboykott-Initiative berichtet

Bad Kreuznach (taz) - Der Redakteur des 'Hunsrück Forum‘, Horst Petry, wurde gestern vom Landgericht Bad Kreuznach in zweiter Instanz wegen „öffentlicher Aufforderung zu einer Straftat“ verurteilt. Das 'Hunsrück Forum‘ hatte über die Gründung einer Volkszählungsboykott-Initiative berichtet. Das Amtsgericht Simmern bestrafte am 11.11.1987 den Redakteur wegen dieses Artikels mit einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Mark, also 1.200 Mark.

Sowohl Horst Petry als auch der Staatsanwalt gingen in die Berufung. Petry schilderte nun vor dem Landgericht, wie er mit einem Sprecher der Initiative ein Interview geführt hatte. Sein Artikel sei in Form eines Berichts abgefaßt, in dem die Meinung der Initiative in indirekter Rede wiedergegeben sei.

Die Rechtsanwältin des Angeklagten erklärte, bei diesem Prozeß gehe es lediglich um die Frage, ob in der Presse über die Arbeit einer solchen Volkszählungsboykott-Initiative berichtet werden dürfe. Sie verwies auf eine Ausgabe des 'Spiegel‘, der einen Boykottaufkleber faksimiliert hatte. Nach der Logik des Urteils sei auch dies eine Aufforderung zu einer strafbaren Handlung.

Die Ferienstrafkammer am Landgericht Bad Kreuznach unter Vorsitz von Richter von Tzschoppe befand den Redakteur Petry der Aufforderung zu einer strafbaren Handlung für schuldig. Lediglich die Höhe der Geldstrafe wurde von 60 auf 40 Tagessätze reduziert. In seiner Urteilsbegründung verwies der Richter darauf, der Artikel sei zwar kein direkter Aufruf an Dritte, die Volkszählung zu boykottieren, aber in der Gesamtaufmachung des Artikels sei der Redakteur über ein bloßes Anreizen weit hinausgegangen. Der Angeklagte habe die strafbaren Ausführungen der Initiative zu seiner eigenen Meinung gemacht. Insbesondere sei die Überschrift „Volksaushorchung - nein danke!“ nicht in Anführungszeichen gesetzt worden. Die Anweisung der Initiative, wie mit den Volkszählungsbögen zu verfahren sei, sowie der Abdruck einer Telefon- und einer Kontonummer stellten eine „eigene schöpferische Tätigkeit des Angeklagten“ dar. Die Gesamtaufmachung der inkriminierten Seite ging weit über die Aufgabe eines Redakteurs der Presse hinaus. Insoweit sei der Angeklagte der Aufforderung zu einer strafbaren Handlung schuldig. Horst Petry erklärte, das Urteil sei ein weiterer Versuch, eine kritische Zeitung mundtot zu machen. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

Wolfgang Bartels

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen