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Denken im Stolpern

■ Stuhl-Objekte des Amerikaners Neil Crosbie in der Galerie „remberti's“: Krause Ensembles und rauschhafte Farben

Er ist wirklich winzig, der „sehr kleine Wolf, der auf einem Stuhl gefror, als er versuchte, die Natur zu retten“.

Das hat er nun davon. Stühle sind nun mal nichts für naturschützende Plastikwölfe, schon gar nicht solche, die schwarz lackiert und umgekehrt von der Decke hängen, nicht nur das Spielzeugtier tragen, sondern auch ein Schüsselchen mit Tinte, und aus ihren hölzernen Füßen trockene Halme sprießen und einen roten Zwirnsfaden müde zum Boden baumeln lassen.

Ein reichlich krauses Ensemble, aufgebaut mit anderen Stuhl -Objekten und papiernen Schilden von dem amerikanischen Künstler Neil Crosbie in der Galerie „remberti's“. Immerhin ist der Wolfsstuhl einer, der durch seine Absurdität und möglicherweise unfreiwillige - Komik noch am ehesten geeignet ist, Phantasie und Denken ins Stolpern zu bringen.

Die anderen Objekte verleiten da eher zum Stillstand, was vielleicht an ihrer Bodenständigkeit liegt: Omas Küchenstühle, mal mit, mal ohne Sitz, schwarz-weiß oder bunt bemalt, stehen stramm auf allen vier Beinen und bleiben, was sie sind: Stühle, aus denen auch das dürre Beiwerk kein Kunstwerk macht und auch nicht ein ernsthafter Titel.

So mußte die „Madonna mit Kind“ schon häufig für mehr oder weniger groteske Verfremdungszwecke herhalten. Bei Crosbie bleibt sie ein vernageltes Sitz-Gestell mit Zweigen auf der Lehne. Und die „Zwei verrückten Narren“ werden auch nicht kafkaesker dadurch, daß einer von ihnen ein geklappter Klappstuhl ist. Denn der Wunsch zum Surrealistischen, zum Widersinn und zur Irritation sind unübersehbar in Crosbie's Objekten. Unübersehbar aber auch des Künstlers Unfähigkeit oder Unwille, über den oberflächlichen Effekt hinauszukommen.

So genügen die Stühle kaum als bloß launige Nebenprodukte der Schildmalerei Crosbie's. Aus Papier hat er menschengroße Schilde gerissen, geklebt und bemalt und verschiedenen Personen gewidmet. So schuf er ein Schild „für das kleine Mädchen, das seinen Kopf ins Meer steckte“. Im Strudel des Wassers verdoppelt sich der schwarz gestrichelte Struwwelpeterkopf und beguckt sich das Menschen-Meergetier von unten.

Es gibt den „Schild des Mannes, der Autos haßt“. Schwarze Punkte auf Weiß umrahmen ein zweites Oval, dessen Farben überquellen, leuchtend bunt wie auf allen Schilden und geschwänzt von einem fleckigen Tempotuch.

Der Gefahr zum bloß Dekorativen entgeht Crosbie durch den geradezu rauschhaften Einsatz der Farben. Zwar gibt es Ornamentales, Punkte, großflächig verteilt oder linear geordnet, oder Zick-Zack-Linien, Erinnerung an „pattern painting“ Ende der 70er Jahre.

Doch hier wird die Farbe genutzt als Möglichkeit zur emotionalen Befreiung und in temperamentvoller Lust. Das schließt dunkle Untertöne nicht aus, auch wenn Flecken leuchtenden Rosas neben Blutrot, Schwarz und Grün dominieren, Linienknäuel von Zeitungspapier abgelöst werden. Die ungewohnt farbenprächtige Energie hat zunächst etwas Überfallartiges, auch Mitreißendes. Wichtig sind die Titel obwohl sie sehr gut allein bestehen könnten, ergibt sich aus der Korrespondenz zwischen ihnen und der Malerei eine höchst lebendige und vielschichtige Bildphantasie.

Beate Naß

Galerie „remberti's“, Rembertistraße 59.

Öffnungszeiten:

Montag bis Freitag: 11 bis 18.30 Uhr.

Samstag: 11 bis 15 Uhr.

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