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Zauberlehrlinge

■ Aussiedler, Asylsuchende und die Deutschen

Wie Goethes Zauberling versuchen Politiker und Medien die Geister zurückzuscheuchen, die sie einst selber riefen. Seit Jahren haben sie sich darin überboten, Volkes Ängste vor den Fremden zu bestätigen. Mit einem fünfjährigen Arbeitsverbot wurde das Vorurteil untermauert, jeder ausländische Neuankömmling nehme einen Arbeitsplatz weg. Mit zwangsweisem Lageraufenthalt für Flüchtlinge wurde demonstriert, das unerwünschter Zuzug Strafe verdient. Improvisierte Zeltstädte und fest verrammelte Grenzen beschworen das Gespenst der Überbevölkerung des „Volkes ohne Raum“.

Jetzt, wo 200.000 Aussiedler ebenfalls Aufnahme, Schutz und einen Weg aus wirtschaftlicher Misere suchen, soll alles so anders sein. Jetzt sind die Fremden aus dem Osten mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung „deutsch“ eine kulturelle Bereicherung, eine „Chance für uns alle“, wie Kanzler Kohl beteuert. Plötzlich zeigt die Wohlstands-Republik, welch wirtschaftliche Kapazitäten und unbürokratische Phantasien sie mobilisieren kann, um Ausländern einen menschlichen Einstand zu ermöglichen, auf den andere vergeblich waren. Keine Zelte mehr, keine Lager für Flüchtlinge, sondern ein Wohnungsbauprogramm in Milliardenhöhe. Kein gesetzliches Arbeitsverbot, sondern ein Verweis auf freie Arbeitsplätze zuhauf. Keine Angst vor der Asylantenschwemme, sondern die sich persönlich kümmernde schützende Hand des Kanzlers.

Nur die Bevölkerung kann diese salti mortale der doppelten Moral noch nicht so schnell nachvollziehen, wie die Politiker es jetzt verlangen. Für sie sind die Aussiedler die Fremden. Und vor denen, so haben Politiker und Medien es jahrelang gelehrt, muß man sich in acht nehmen, auch wenn es diesmal die „guten“ Fremden sind.

Vera Gaserow

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