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Prinzip gegen Leben-betr.: Gladbecker Geiseldrama

betr.: Gladbecker Geiseldrama

Profilierungssucht und Konkurrenzkampf machen vor dem Ernstfall nicht halt. Hier wurden Menschenleben von der Polizei bewußt gefährdet und aufs „Turnierspiel“ gesetzt. Was SEK und GSG 9 also im Training gegeneinander abziehen Zitat: „Manchmal ist die SEK im Training sogar besser abgeschitten als die GSG 9“, wurde hier auf der Autobahn geprobt. (...)

Nun haben die Ritter der Landstraße also ihr Privatturnier ausgetragen. Tote liegen in der Arena. Jetzt aber, in der Niederlage aller Beteiligten, will keiner die Verantwortung übernehmen. (...)

Gunner, Rheinbach

(...) Hätte der Staat die Beiden abziehen lassen, wäre gar nichts passiert. (...) Emanuele und Silke mußten sterben, weil der Staat auf Teufel komm raus ein Ritual durchziehen mußte, nicht mehr als ein Ritual. (...)

Da denkt der Herr Minister öffentlich darüber nach, daß der finale Todesschuß angebracht gewesen wäre! Ich möchte den Herrn Minister sehen, wenn er selber Geisel ist. Er geht ganz locker über das Leben der Geiseln und auch der Täter hinweg und dies letztendlich nur, um ein Prinzip zu verteidigen, das eigene Versagen zu rechtfertigen. (...)

Wenn nicht alles umsonst gewesen sein soll, muß eine Grundhaltung verändert werden, denn wir müssen Verständnis entwickeln und lernen, daß Strafanspruch niemals ein Menschenleben wert ist. Menschen sind wichtiger als Ideen. Wenn wir dies begreifen und entsprechend handeln, kommen wir einer wahren Zivilisation näher; ansonsten müssen wir mit der Gewalt leben!

Dieter Wurm, Berlin 21

(...) Damals wie heute war es die Deutsche Bank. Während 1971 für das erste Geldhaus der Republik zwei Millionen für wenige Stunden den Kassenbestand reduzierten, standen 1988 bei demselben Institut 400.000 Mark auf dem Spiel. Ungleich heftiger, als gelte es, „Ordnung und Sicherheit“ nach diktatorischem Muster über ministeriell geduldeten illegalen Polizeiterror wiederherzustellen, reagierte man 1988. Die Bundesregierung hätte gewiß nicht geschwiegen, wenn die Polizisten nicht im Geiste der ungeschriebenen Nebenverfassung immerhin noch im Interesse der sogenannten „Inneren Sicherheit“ gefeuert hätten. Es ging nicht um die 400.000, die via Versicherung an die Bank zurückgeflossen wäre. Auch war diesmal der Rechtsstaat nicht in Gefahr.

Vielmehr bewiesen politische Führung und deren polizeiliche Handlanger ihren Unverstand, indem sie noch kaltblütiger als die Geiselnehmer selber ganz bewußt den Tod Unbeteiligter in Kauf nahmen. (...)

Dietmar Purschke, Ronnenberg 6

Culpa oder nicht culpa ist hier meines Erachtens nicht die entscheidende Frage. Sollte die Täterbiographie der Wahrheit entsprechen, müßte die Frage nach der Schuld oder besser gesagt, nach dem Warum in gerade dieser Biographie gesucht werden.

Ein Mensch, der über elf Jahre lang in einer Deprivation lebt, entwickelt leicht Haß und Argwohn gegenüber der Gesellschaft. Ich möchte hier keineswegs die Tat als Mut oder als gut heißen. Sie war mehr als schrecklich. Aber auf der anderen Seite steht die Frage nach Sinn und Zweck der Knäste. In den Knästen, wo eine Atmosphäre der Inferiotät herrscht, ist es nicht außergewöhnlich, sich vor dieser durch derartige Taten zu brüsten.

Hier sollte die Frage beziehungsweise die Diskussion nicht dahingehend geführt werden, wie C. Nickels bereits erwähnte, daß eine Strafverschärfung eintritt, sondern vielmehr dahingehend, daß die Zeit sinnvoll genutzt wird, falls dies überhaupt mögich ist.

Thomas Kraemer, Bochum

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