piwik no script img

Gespeichert im Radio-Computer

■ In Personalcomputern bei Radio Bremen wurden persönliche Daten von MitarbeiterInnen und Hörern gespeichert / „Verhaltens- und Leistungsprofile“ möglich / Personalrat filzte PC-Dateien im Morgengrauen

Zu Tausenden stehen Personalcomputer in Behörden, Krankenhäusern und privaten Firmen. Sie bewahren nicht nur Rechnungsnummern oder Börsenkurse in ihren Dateien auf, sondern häufig auch persönliche Angaben über MitarbeiterInnen und Kunden.

Eine Kontrolle der PC-Dateien, ein effektiver Schutz gespeicherter Personaldaten vor mannigfaltiger Auswertung, ist kaum mehr möglich. In einem wochenlangen Konflikt mit dem Direktorium hat der Personalrat von Radio Bremen jetzt durchgesetzt, daß die Datenbestände in zwei Personal -Computern auf ein gesetzliches Maß heruntergelöscht werden.

Um zu erfahren, was in den PCs gespeichert war, bediente sich die Personalräte ungewöhnlicher Methoden: Zusammen mit dem Informatiker Eckhard Kanzow von der Bremer Universität standen sie vor den beiden PCs in der Redaktion des Vierten Programms.

Das war an einem frühen Julimorgen, als die meisten MitarbeiterInnen noch schliefen. Kanzow ließ sich Dateien und Verzeichnisse ausdrucken und kopierte mehr als 20 Kassetten. Als Mitarbeiter des Programms und der Hauptabteilungsleiter Wolfgang Hagen dazukamen, fiel ein böses Wort: „Gestapomethoden“.

Was er auf den Kassetten fand, bestätigte einen lang gehegten Verdacht der Personalräte: In den PCs wurden Daten über MitarbeiterInnen gesammelt, die eine „verhaltens-und leistungsbezogene Auswertung“ möglich machen, wie Kanzow später in seinem Gutachten schrieb.

So war festgehalten worden, was für Beiträge einzelne Mitarbeiter der Redaktion angeboten hatten, welche Musiktitel sie aus den Angeboten der Plattenfirmen als sendefähige Titel vorgeschlagen hatten, und: wieviel Honorar ihnen überwiesen worden war.

Detaillierte Sendeprotokolle gaben über die Aktivität der MitarbeiterInnen Auskunft. Die Software, die erforderlich ist, um aus den verstreuten Daten persönliche Profile von Untergebenen zu machen, stand in den PCs zu Verfügung.

Doch damit nicht genug: Wer immer von Zuhause, aus dem Knast, oder aus dem Krankenhaus beim Moderator der Pop-Welle anrief, um sich einen Musiktitel zu wünschen oder an einem der häufigen Radiospiele teilzunehmen, landetete im Computer, mit allem, was er an persönlichen Daten ausplauderte. Das sei zur Vorbereitung von Sendungen nötig gewesen, sagte Hauptabreilungsleiter Hagen später im Gespräch mit den Datenschützern. Allerdings: Gelöscht wurden die Hörerdaten selten.

Radio Bremen 4, eine Pop-Welle für junge Leute, mit viel Musik und wenig Wort, ist die jüngste Programmschöpfung des kleinsten ARD-Senders - und, mit einem Jahresetat von nur 1,2Millionen Mark, zugleich die billigste. Personell ist das Programm so knapp ausgestattet, daß ohne die PCs dort nichts gegangen wäre.

Der Personalrat hat sich Ende 1986 darauf eingelassen. Sonst wäre diese Welle von privaten Anbietern beansprucht worden, hatte ihm das Direktorium vorgehalten. Auch dem PC -Einsatz hat der Personalrat zugestimmt, aber mit vielen Einschränkungen. In einer „Dienstvereinbarung“ zwischen ihm und dem Direktorium wurde „die Erfassung oder Verarbeitung personenbezogener oder personenbeziehbarer Daten“ ausgeschlossen. Im einzelnen nennt die Vereinbarung die Daten von Mitarbeitern und Hörern.

„Alle wesentlichen Bestimmungen der Dienstvereinbarung (...) sind nicht nur verletzt, sondern auch in ihr Gegenteil verkehrt worden“, schreibt der Gutachter des Personalrats nach Durchsicht der Dateien.

Nach dem frühmorgendlichen Computer-Filzen des Personalrats gingen im Sender erstmal die Wogen hoch - gegen den Personalrat. Besonders die MacherInnen des vierten Programms, überwiegend junge, flexible Unterhaltungs -Journalisten, fühlten sich ausspioniert.

Doch Ende Juli schaltete sich der „Landesbeauftragte für den Datenschutz“ ein, und kam zu den gleichen Ergebnissen wie der Gutachter des Personalrats: Der PC-Gebrauch widerspricht nicht nur der internen Dienstvereinbarung, sondern auch dem bremischen Datenschutzgesetz. Die amtlichen Datenschützer verlangten Abhilfe von den Direktoren des Senders, und die gelobten Besserung.

Der Personalrat wartet nun ab, und will zu gegebener Zeit wieder einen tiefen Blick in die PC-Dateien werfen. Inzwischen sind auch Personalräte aus anderen Bereichen des öffentlichen Diensts in Bremen aufmerksam geworden: Was hat unser Chef wohl alles in seinem PC?

Michael Weisfeld

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen